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Die Herren von Hermiston

Titel: Die Herren von Hermiston
Autoren: Robert Louis Stevenson
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Haustor versammelte. In beiden Fällen pflegte Tusitala zur Begrüßung seiner Gäste auf der unteren Veranda zu erscheinen. Die Unterhaltung mit den Matrosen war ihm immer interessant, und den Samoanern gegenüber befolgte er stets deren Etikette, obwohl diese ihm mitunter recht lästig fiel. Die Matrosen wurden, wenn nötig, von den übrigen Mitgliedern der Familie empfangen und unterhalten, bis es meinem Manne gefiel, nach unten zu kommen. Aber eine samoanische »Melanga« (Besuchsgesellschaft) erwartete, den Häuptling von Vailima auf der Stelle erscheinen zu sehen, während neben ihm sein Dolmetscher die Begrüßungsrede hielt und seine Mägde mit der »Ava-Schüssel« als Erfrischung für die Gäste bereitstanden. Häufig wurde mein Mann bei derartigen Gelegenheiten mitten in einem Satz unterbrochen und der Faden des Gedankens nie zu Ende gesponnen. Und doch war ihm diese Art Verkehr mit den Eingeborenen besonders lieb. Jene wußten nichts von seinen Büchern; er war in ihren Augen keine literarische Berühmtheit. Sie kamen zu ihm wie zu einem älteren Bruder, um in allen Dingen, angefangen bei der Wahl einer Ehefrau bis hinab zu ihrer Kriegführung, seinen Rat einzuholen. Das Haus in Vailima war in ganz Samoa als »das Haus der Weisheit« bekannt. Nach dem Tode meines Mannes erhielt ich eines Tages Besuch von einem alten Häuptling. »Ich möchte meiner Liebe zu Tusitala ein Denkmal setzen«, sagte er. »Einmal sprach mir Tusitala von der Notwendigkeit, in hoher Lage ein bequemes Haus für Kranke, die der Luftveränderung bedürfen, zu errichten. Daher habe ich einen Weg durch die Wälder biszu dem Gipfel eines Berges schlagen lassen und dort ein großes Haus erbaut zur Beherbergung aller, die es zu bewohnen wünschen. Dieses habe ich getan aus Liebe zu Tusitala.«
    Hermiston wurde nicht fortlaufend, sondern abwechselnd mit »St. Ives« diktiert. Mein Mann pflegte an dem einen Buche zu arbeiten, bis es ihn ermüdete oder seine Stimmung umschlug; dann nahm er das andere vor. Noch kurz vor seinem Tode erzählte er mir, er beabsichtige sich sehr bald von beiden Büchern zu erholen und ein drittes, völlig anderes Werk in Angriff zu nehmen. Der neue Roman sollte »Sophia Scarlet« heißen, mit Frauen als Trägerinnen der Handlung. Die männliche Hauptfigur, ein Kranker, in den Sophia Scarlet sich verliebt, sollte in einem der ersten Kapitel sterben. »Es gab eine Zeit«, meinte er, »da ich es kaum wagte, eine Frauengestalt zu zeichnen; jetzt aber fürchte ich mich nicht mehr davor. Ich werde in den beiden Kirsties
Gestalten aus »Die Herren von Hermiston«.
ein wenig zeigen, was ich kann; aber in Sophia Scarlet wird sich das Interesse vornehmlich auf die Frauen konzentrieren.« Von dem Grundriß der Erzählung weiß ich nur so viel, daß der Schauplatz nach Tahiti verlegt war, wo Sophia Scarlet eine große Pflanzung, die sie selbst leitete, besitzen sollte.
    Während mein Mann abwechselnd an Hermiston und St. Ives arbeitete, schleppte ein Schiff, das vorübergehend in Apia anlegte, eine Influenza-Epidemie dort ein. Die Seuche verbreitete sich rasch über die ganze Insel; kaum daß einer von den Eingeborenen ihr entging. Zu jener Zeitwar es ungemein niederdrückend, durch ein samoanisches Dorf zu gehen. Die Seitenteile einer Hütte, gewöhnlich bis zu den Dachrinnen hochgeschlagen, waren fest heruntergezogen. Überall herrschte Totenstille bis auf ein gelegentliches Husten und Stöhnen hinter den Wänden aus Kokosnußblättern. In Vailima fiel jeder einzelne Samoaner dieser »fremden Krankheit« zum Opfer. Die Halle unseres Hauses wurde in einen Krankensaal mit einer doppelten Reihe von Betten verwandelt. Auch mein Mann steckte sich an und lag eine Zeitlang schwer darnieder. Aber selbst eine Influenza mit nachfolgendem Lungenbluten vermochte ihn nicht von der Arbeit, speziell von »St. Ives« abzuhalten. Seine Sekretärin lehrte ihn das Taubstummenalphabet, mit dessen Hilfe er langsam und mühselig etwa fünfzehn Seiten diktierte.
    Eine bedeutsamere Unterbrechung brachte eine Reise nach Sydney. Mein Mann machte diese Fahrt zu seiner Erholung, ohne während seines Aufenthaltes in den Kolonien auch nur einen Strich zu arbeiten. Er hatte die Influenza vollständig überwunden, befand sich in bester Stimmung und genoß alles, was er unterwegs erlebte, selbst die Reden und Trinksprüche, die er in den Hotels halten mußte. Wir gaben Gesellschaften auf unseren Zimmern im Hotel, besuchten anderer Leute Gesellschaften,
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