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Die Herren von Hermiston

Titel: Die Herren von Hermiston
Autoren: Robert Louis Stevenson
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bei ihren Dienstboten mehr Wert auf Frömmigkeit als auf Tüchtigkeit gelegt haben soll. Die anderen weiblichen Charaktere sind meines Wissens nach rein aus der schöpferischen Phantasie geboren, insbesondere die neue und vorzüglich gelungene Verkörperung des ewig Weiblichen in der älteren Kirstie. Das wenige, das er selbst über sie sagt, steht in einem Brief, den er einige Tage vor seinem Tode an Mr. Gosse richtete. Er spricht bei dieser Gelegenheit von den Stimmungen und Standpunkten verschiedener Menschen gegenüber dem nahenden Alter, eine Anregung, die er durch Mr. Gosses Gedichtband »In Russet and Silver« erhielt. »Es ist doch recht komisch«, schreibt er, »daß jene Angelegenheit gerade in diesem Augenblick zur Sprache kommt, da ich selbst im Begriff bin, in einer meiner Erzählungen, ›Der Lord Oberrichter‹, einen ziemlich harten Fall von herannahendem Alter zu behandeln. Es ist der einer Frau, und ich glaube, ich werde ihr gerecht. Es wird Sie vermutlich interessieren, den Unterschied in der Art unserer Behandlung zu sehen. ›Secreta Vitae‹ (der Titel eines Gedichtes von Mr. Gosse) kommt dem Fall meiner armen Kirstie schon näher.« Aus der wunderbaren mitternächtlichen Szene zwischen ihr und Archie vermögen wir zu schließen, was uns in jenen späteren Szenen verlorengegangen ist, in denen sie ihm seine vermeintliche Schuld vorwerfen sollte – nur um seine Unschuld von den Lippen seines angeblichen Opfers zu erfahren – ihn ihrer Sippe gegenüber rechtfertigt und diese zu seiner Rettung anfeuert und begeistert. Die von Stevenson geplante Szeneder Gefängniserstürmung hätte (wie die Leser ohne Zweifel selbst schon erkannt haben werden) durch den Vergleich mit zwei berühmten Präzedenzfällen: dem Porteous-Mob und der Erstürmung des Potanferry-Gefängnisses bei Scott, noch an Interesse gewonnen. Die beste Schilderung von Stevensons Schaffensmethoden findet sich in den folgenden Sätzen eines Briefes von ihm an Mr. W. Craibe Angus aus Glasgow: »Ich bin immer noch ein langsamer Arbeiter und brüte stets längere Zeit schweigend über meinen Eiern. Unbewußtes Denken, das ist die einzige Methode: erst zerfasere man gründlich seinen Stoff, dann lasse man ihn langsam kochen, und zuletzt nehme man den Deckel ab und werfe einen Blick hinein – da hat man sein Zeugs – gut oder schlecht.« Nachdem die einzelnen, oben geschilderten Elemente ihn lange Jahre hindurch beschäftigt hatten, trieb es ihn im Herbst 1892 dazu, »den Deckel abzunehmen« – dies geschah, soviel ich weiß, unter dem Zwange einer besonders mächtigen Gefühlswallung zu Gunsten der Romantik schottischer Szenerie und schottischer Charaktere, ein Gefühl, das stets in ihm lebendig war und das sein Aufenthalt in der Fremde noch verstärkte. Ich zitiere abermals aus seinem Brief an Mr. Barrie vom 1. November jenes Jahres: »Es ist doch eine seltsame Sache, daß ich hier in der Südsee unter so neuen und ungewöhnlichen Verhältnissen lebe und daß meine Phantasie trotzdem fortwährend in der kalten, alten Gruppe grauer, gedrängter Hügel weilt, aus der wir beide stammen. Ich habe ›David Balfour‹ beendet und bereits ein neues Buch auf dem Repertoire: ›Der junge Chevaliers das teils in Frankreich, teils in Schottlandspielt und von Prinz Charlie um das Jahr 1749 handelt; und jetzt habe ich tatsächlich noch ein drittes angefangen, das von Anfang bis zu Ende nur Heide sein soll und dessen Mittelpunkt eine Gestalt bilden wird, die Sie, glaube ich, richtig würdigen werden: die des unsterblichen Braxfield. Braxfield selbst ist bei mir der führende Politikus oder – da Sie so stark an dem britischen Drama interessiert sind – mein Hauptcharakterdarsteller.«
    In einem Brief an mich vom gleichen Tage übermittelt er die nämliche Nachricht in knapperer Form zusammen mit einer Liste der Charaktere und einem Hinweis auf Ort und Zeit der Handlung. An Mr. Baxter schreibt er einen Monat später: »Ich habe einen Roman auf dem Repertoire, welcher ›Der Lord Oberrichter‹ heißen soll. Er ist ziemlich schottisch; der Haupthandelnde hat Braxfield zum Vorbild (à propos, schick mir doch Cockburns ›Memorials‹), und einiges an der Geschichte ist – nun, sagen wir, sonderbar. Die Heldin wird von dem einen Manne verführt und verschwindet schließlich mit dem anderen, der jenen erschossen hat – Merk dir's, ich will, daß ›Der Lord Oberrichter‹ mein Meisterwerk wird. Mein Braxfield ist bereits ›a thing of beauty and a joy
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