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Die Herren von Buchhorn

Titel: Die Herren von Buchhorn
Autoren: Birgit Erwin / Ulrich Buchhorn
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noch kleiner machen zu wollen, als es ohnehin war. Ihr Blick huschte zu dem Wirt hinüber, ehe sie antwortete. »Er hat Fieber. Ich glaub, er ist verwundet worden.«
    »Wer hat ihn verwundet?«
    »Das weiß ich nicht, Herr. Ich weiß gar nichts. Lasst mich gehen, ich muss an meine Arbeit.«
    Gerald winkte sie ungeduldig weg. Dann nickte er dem Wirt zu und zog seine Frau zu der altersschwachen Treppe, die neben dem Ausschank nach oben zu den Gästezimmern führte. »Zweites Zimmer links.«
    »Gerald hatte recht: Was für eine furchtbare Absteige«, flüsterte Mechthild. »Und das arme Mädchen. Hast du gesehen, wie …«
    Gerald klopfte mit der flachen Hand gegen das dicke Holz. Nichts rührte sich. Er murmelte eine leise Verwünschung und drückte gegen die Tür.
    »Adalbert?« Er trat ein. Ein dumpfer Geruch nach Krankheit und Schweiß hing in der Luft. »Adalbert!«, wiederholte er lauter. Dann sah er die Gestalt auf dem Bett und stieß keuchend den Atem aus. Der Mann lag leblos da. Noch mehr schockierte Gerald allerdings die Veränderung, die mit dem Knappen vor sich gegangen war. Von dem Mann, der vor Jahren hoffnungsfroh in den Krieg aufgebrochen war, hatte die Zeit nichts mehr übrig gelassen. Dürr und kahlköpfig und um Jahre gealtert lag er auf dem Bett und starrte aus toten Augen zur Decke. Mit einem kalten Gefühl des Verlustes im Herzen trat Gerald näher und faltete die Hände. »Gott sei seiner Seele gnädig«, flüsterte er. Dann sah er sich zu Mechthild um. In ihren Augen glänzten Tränen. Er legte ihr den Arm um die Schultern und drückte sie unbeholfen an sich, ehe er sich über den Toten beugte, um ihm die Augen zuzudrücken. »Er ist noch warm.«
    Plötzlich richtete er sich auf und starrte seine Frau an. »Er ist noch warm!«, wiederholte er so laut, dass sie zusammenzuckte. »Wenn wir … wenn wir …«
    »Wenn wir zuerst hierhergekommen wären, hätten wir ihn noch lebend angetroffen, willst du das sagen?«, fragte Mechthild tonlos. »Es war also ein Fehler, unseren Sohn zu besuchen?«
    Gerald achtete nicht auf ihren Tonfall. »Genau das! Ich hätte nicht nachgeben dürfen. Ich wollte sofort hierher.«
    »Dein Sohn ist dir also egal?«
    »Jedenfalls ist er morgen auch noch da. Adalbert hatte nicht so viel Zeit. Glaub mir, er ist noch nicht lange tot. Ich habe den Tod schon zu oft gesehen. Und du auch!«
    »Eben! Ich auch! Ich habe fünf Kinder zu Grabe getragen. Wir haben nur noch eins.«
    Geralds Gesicht verfärbte sich dunkel. »Dieser Mann«, brüllte er, »ist tot! Er kann nicht mehr weglaufen wie unser Sohn.«
    »Was willst du damit sagen?« Sie trat einen Schritt auf ihn zu und starrte ihm ins Gesicht.
    Einen Augenblick lang hielt er ihrem Blick stand, dann ließ er die Arme sinken. »Ach, lass gut sein«, murmelte er. »Adalbert war ein treuer Mann. Ich kannte ihn gut.«
    Mechthild stemmte die Fäuste in die Hüften. »Besser als deinen Sohn? Was macht ihn denn besser? Dass er tot ist?«
    »Du redest Unsinn.« Gerald wandte sich ab und schlug die Decke zurück. Ein erneuter Fluch kam über seine Lippen, als er das blutgetränkte Laken sah. »Es war also wirklich eine Wunde.«
    Vorsichtig hob er das fleckige Hemd an, unter dem ein schmutziger Verband zum Vorschein kam. Ohne auf Mechthilds leisen Protest zu achten, schnitt er den Leinenstreifen auf und begutachtete die tiefe Stichwunde, die an den Rändern schon verschorft war.
    »Die Wunde kann nicht älter sein als ein paar Tage«, stellte er fest. »Aber schau dir seinen Körper an, diese Narben sehen aus wie Peitschenstriemen. Wahrscheinlich war er in Gefangenschaft.« Seine Augen begannen zu glänzen. »Und das könnte bedeuten, dass auch der Herr noch lebt. Mechthild …«
    Er streckte die Hand nach ihr aus, aber sie schlug sie zur Seite. Ihre Stimme bebte. »Immer der Herr. Denk doch ein Mal auch an uns. Vielleicht hast du nur die eine Chance, dich mit Gerald auszusprechen. Sieh dir diesen Toten an. Wenn Gott es will, liegen auch wir morgen so da.«
    Gerald zog die Decke wieder über die Leiche. Er schien seine Frau überhaupt nicht gehört zu haben. »Ich sehe das so. Jemand hat ihm aufgelauert und ihn verwundet. Er schleppte sich hierher und schickte mir die Botschaft. Er wollte mir etwas Wichtiges mitteilen. Aber nein, i ch habe auf dich gehört.« Er blickte seine Frau hart an.
    Mechthild schluckte. »Denkst du nicht, dass Gott allein entscheidet, wann er ein Leben zu sich nimmt?«
    Gerald schaute auf die eingefallenen Züge
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