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Die heimliche Lust

Die heimliche Lust

Titel: Die heimliche Lust
Autoren: Dalma Heyn
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Positionen widerspiegeln. Der Film Fatal Attraction — die Geschichte eines Mannes, der mit einer Frau Ehebruch begeht, die das nicht tut (sie ist unverheiratet) — gibt uns eine Ahnung davon, wie unerträglich es ist, wenn eine Frau hartnäckig erotische Ansprüche stellt. Der Filmschluß mußte dreimal umgeschrieben werden, bis man endlich einen hatte, der den Blutdurst der Zuschauer stillte — nicht etwa nach dem Blut des Ehebrechers, sondern nach dem der sexuell aktiven Frau, die sich nicht mit dem flüchtigen Abenteuer zufriedengeben wollte, das er ihr anbot.
    Schluß Nummer eins: Von ihrem verheirateten Liebhaber verlassen und darüber fassungslos und verzweifelt, nimmt sich Alex, gespielt von Glenn Close, das Leben. Sie schneidet sich die Kehle durch, schafft es aber, Dan (ihrem ehebrecherischen Liebhaber, gespielt von Michael Douglas) den Mord an ihr in die Schuhe zu schieben. Er wird eingelocht und aufgrund seiner Schuld an ihrem Tod verurteilt. Diese Version fiel bei den Zuschauern, denen sie vorgeführt wurde, glatt durch.
    In der nächsten Fassung nimmt sich Alex immer noch das Leben, sorgt immer noch dafür, daß Dan für ihren Tod büßen muß, aber diesmal wird Dan von seiner Frau, der tugendhaften Beth (Anne Archer) gerettet, der es gelingt, Beweise für die Unschuld ihres Mannes zu erbringen. Dieser Schluß wurde von den Zuschauern zwar als weniger enttäuschend empfunden, aber er war immer noch keine genügend harte Strafe für die besitzergreifende, wildernde und vielleicht sogar schwangere Alex.
    In der endgültigen Fassung begeht Alex keineswegs Selbstmord; sie erhebt sich aus einer Badewanne — ein tollwütiges, schreckenerregendes Geschöpf, das einem Gruselfilm entsprungen zu sein scheint-, und während sich Dan mannhaft bemüht, sie zu erwürgen und zu ertränken, gelingt es seiner Frau, den Todesschuß ins Herz ihrer Rivalin abzufeuern. Hier endlich, 1,3 Millionen Dollar später, bekommt das Publikum, wonach es verlangt: die Todesstrafe. Für den Ehebrecher? Nein. Für die Frau. Die sexuell aktive Frau.
    In Dans Leben herrscht nun wieder Ordnung. Er kehrt heim zu seiner Familie, die anständige Gattin hat sich an der unanständigen Nebenbuhlerin gerächt, und wenn wir das Kino verlassen, sonnen wir uns in der Tugendhaftigkeit und Unverletzlichkeit der heiligen Familie: In der letzten Szene ist ein Foto von Dan, Beth und ihrem Kind zu sehen — in einem Bilderrahmen.
    Woody Allens Alice kommt der Lösung, daß eine verheiratete Frau außerehelichen Sex hat und am Ende physisch und psychisch intakt bleibt, noch am nächsten. Alices Affäre wird jedoch »gerechtfertigt«, denn sie und wir werden wie durch Zauberei Zeugen des Büroflirts ihres Mannes. Auch in Sex, Lügen und Video läßt sich die sympathische Heldin Ann auf eine Liebesbeziehung ein — aber erst, nachdem sie entdeckt, daß ihr Mann mit ihrer Schwester Cynthia schläft.
    Können wir erst durch solche Manipulationen Sympathie für das Handeln dieser Frauen entwickeln? Könnten wir auf Alices Seite sein, ohne vom Verhältnis ihres Mannes zu wissen? Würden wir mit Ann sympathisieren, ohne ihre Schwester und ihren Mann in ihrem Ehebett gesehen zu haben?

Eine glaubwürdige Frau

    Das bringt mich wieder zu Anne und Alex zurück. Ich muß Sie fragen: Sind Sie bereit, etwas über eine Frau zu lesen, die fremdgeht, obwohl ihr Mann es nicht »verdient«? Sind Sie aufgeschlossen für einen anderen Lebensentwurf, eine andere Heldin und einen anderen Blickwinkel? Eigentlich frage ich Sie, ob Sie etwas über eine sexuell aktive Frau hören wollen, die nicht stumm bleibt und deren Geschichte nicht tragisch endet, eine Ehebrecherin, die nicht ihrer Leidenschaft wegen vernichtet wird.
    Denn ob meine Geschichte funktioniert, hängt auch von der Aufhebung dieser vermeintlichen Zwangsläufigkeit ab. Madame Bovary zum Beispiel kann ihrem Schicksal nicht entrinnen: 1857 durchlebten Frauen in der ganzen Welt dieselbe Geschichte. »Alles, was man erfindet, ist wahr, dessen kannst Du sicher sein«, schrieb Flaubert an seine Geliebte, Louise Colet, während er an seinem ersten und berühmtesten Roman schrieb. »...Meine arme Bovary leidet und weint ohne Zweifel in ebendiesem Augenblick in zwanzig Ortschaften von Frankreich .« Die Gefühle, Verhaltensweisen und das Schicksal einer Figur müssen den Lesern glaubwürdig erscheinen; nur dann kann sie, wie Malcolm Cowley über Emma Bovary schrieb, zu »einer jener Archetypen [werden], die die
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