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Die heilige Ketzerin: Historischer Kriminalroman (German Edition)

Die heilige Ketzerin: Historischer Kriminalroman (German Edition)

Titel: Die heilige Ketzerin: Historischer Kriminalroman (German Edition)
Autoren: Frank Domeier
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habt ihr ja erzählt.«
    Agnes nickte. »Wie mir Maria auf dem Weg hierhin sagte, ging es um den Holzdiebstahl. Ulrich und Hartwich hatten Angst, dass das Geheimnis doch irgendwann einmal ausgeplaudert würde. So drohte er Maria, Kunibert umzubringen, falls das Pärchen nicht innerhalb einer Woche aus Rinteln verschwinden würde.«
    Mathilde von Braunschweig sprang erregt auf. »Dann haben also doch Ulrich von Engern und sein Verbündeter den Mord begangen! Ich ahnte es schon die ganze Zeit! Die haben doch mehr auf dem Kerbholz als nur den Diebstahl. Bassenberg war zum Zeitpunkt der Tat bei von Hattelen und konnte seinen Sohn demnach nicht umbringen. Ist es nicht so?«
    Agnes machte einen Knicks vor der Gräfin. »Ja, der Priester hat Kunibert nicht erstochen. Daran besteht kein Zweifel. Vorausgesetzt, Greta von Hattelen hat uns keinen Bären aufgebunden.«
    »Bestimmt nicht!«, rief die Äbtissin dazwischen.
    Die junge Frau fuhr fort: »Zurück zu den Visionen. Diese Erscheinungen kamen nicht spontan, sondern wurden durch besondere Anlässe ausgelöst. Und ihr, Pater«, sie blickte zu Bassenberg hinüber, »habt irgendwie davon erfahren. Stimmt’s?«
    Er schnaubte verächtlich. »Wenn ich Nein sage, glaubt’s mir doch sowieso keiner.«
    »Genau. Aber irgendwann habt ihr festgestellt, wie man die Visionen bei Maria hervorrufen kann. Bei einem Gewitter, bei loderndem Feuer oder wenn etwas Ungewöhnliches in der Kirche passierte.«
    Ludolf hatte inzwischen seinen Beutel genommen und legte ihn auf den Tisch. Vorsichtig holte er das Kruzifix aus Marias Wohnung heraus und stellt es aufrecht gegen einen schweren Kerzenständer. Erstaunt kam die junge Witwe näher.
    »Ihr habt auch ein Kreuz mit unserem Herrn wie ich.«
    Ludolf schüttelte den Kopf. »Nein. Das ist euer.«
    Maria blieb stehen und funkelte den jungen Mann böse an. Sie hatte ihre Hände zu Fäusten geballt. »Warum gestohlen? Es ist meins. Ihr müsst es wieder hergeben.«
    »Ich habe es nicht gestohlen. Ich habe es nur für einen Augenblick geliehen. Nachher dürft ihr es wieder mit nach Hause nehmen. Versprochen.«
    Skeptisch blickte sie sich um. Sie wusste noch immer nicht, was all diese fremden Leute von ihr wollten. Erst als Agnes ihr beruhigend zugenickt hatte, entspannte sie sich wieder.
    Ludolf sagte daraufhin: »Kommt ruhig näher. Passt auf, dass niemand euer Kruzifix wegnimmt. Behaltet es gut im Auge.«
    Maria murmelte ein leises Ja und starrte dann gebannt auf die Statue.
    »Haargenau das gleiche hängt auch in St. Nikolai«, erläuterte der junge Herr vom Domhof.
    Die Gräfin rief erregt: »Stimmt! Es sieht genau wie das aus, das weint, wenn Maria Visionen hat.«
    »Dieses hier weint auch.«
    »Oh. Das wusste ich noch gar nicht.«
    Agnes holte tief Luft. Gemächlichen Schrittes ging sie durch den Raum, um alle Anwesenden beobachten zu können. Die folgenden Erklärungen sollten für die meisten unerwartet und kaum vorstellbar sein. Sie war neugierig auf die Reaktionen.
    »Lasst uns noch einmal nach Chioggia zurückkehren. Maria überlebte die Gräuel, weil sie sich hinter dem Altar versteckt hatte. Der Altar hatte sie sozusagen beschützt. Seit der Zeit hat sie ein inniges, ja fast leidenschaftliches Verhältnis zum Glauben. Sie ist sich sicher, dass Christus sie damals durch ein Wunder gerettet hat. Christus ist ihr Beschützer. Das und die schrecklichen Erlebnisse mit der brennenden Kirche und den Soldaten, die die Bewohner niedermetzelten, verarbeitete sie in Träumen, die durch besondere Anlässe auch tagsüber erschienen.«
    »Moment bitte!« Johann von Rottorf unterbrach sie. »Soll das heißen, dass Maria keine göttlichen Visionen hat?«
    Agnes drehte sich Maria zu, um zu sehen, wie sie dies aufnahm. »Richtig. Es sind Trugbilder eines verletzten Geistes, der die bösen Erinnerungen zu verarbeiten sucht.«
    Die junge Witwe hatte sich bei den letzten Worten aufgerichtet und machte ein ängstliches Gesicht. Sie rieb sich mit zittrigen Händen ihre Schläfen. »Bin ich verrückt?«, fragte sie.
    »Nein.« Agnes ging zu ihr hinüber. »Nur krank und verletzt. So wie jemand, der von einen Unfall eine Narbe zurückbehält, die ab und zu schmerzt, hat euer Geist eine Narbe, die euch seelische Schmerzen bereitet.«
    Maria nickte, aber es war nicht klar, ob sie es auch verstanden hatte. Unruhig trat sie von einem Bein auf das andere und knetete nervös ihre Hände. In ihrem Inneren brodelte es gefährlich, sie kämpfte mit sich selbst und mit
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