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Die heilige Ketzerin: Historischer Kriminalroman (German Edition)

Die heilige Ketzerin: Historischer Kriminalroman (German Edition)

Titel: Die heilige Ketzerin: Historischer Kriminalroman (German Edition)
Autoren: Frank Domeier
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reichte sie weiter.
    Die Ratsherren und der Domdekan stimmten dem zu. Die Neugierde ließ die Gräfin nicht auf ihrem Stuhl verweilen. Sie sprang auf und eilte mit ein paar schnellen Schritten herbei. Niemand konnte sich unter dem Inhalt der Phiole etwas vorstellen.
    »Bitte schüttelt das Glas kräftig«, bat Ludolf
    Einer der Ratsherren fragte vorwurfvoll: »Und was soll das bringen?«
    »Tut es einfach. Wer nicht mehr kann, gibt es einfach weiter. In wenigen Augenblicken werdet ihr schon sehen, warum. Aber haltet es am besten am oberen Ende mit den Fingern fest, damit es nicht durch eure Hände erwärmt wird. Das ist wichtig.« Nach einem Augblick des Nachdenkens fuhr er fort: »Der Pater Bassenberg zeigte uns vor ein paar Tagen die Wunder in seiner Kirche. Er will nämlich Rinteln zu einem Wallfahrtsort machen. Habt ihr schon etwas davon bemerkt?«
    Die Frage war an den Priester gerichtet, aber er hatte seinen Kopf stolz erhoben und schwieg. Nach seinem grimmigen Gesichtsausdruck zu urteilen, würde er auch nichts weiter dazu sagen wollen. Alles an ihm zeigte nur zu deutlich, dass er diese Versammlung für eine Farce hielt, für eine Verschwörung gegen ihn.
    Der Bürgermeister reichte die Phiole an von Rottorf weiter und antwortete stattdessen: »Wir sind noch lange kein Wallfahrtsort. Aber man merkt schon, dass mehr Fremde in die Stadt kommen. Erfreulicherweise haben einige Bürger davon profitieren können, besonders Händler und Wirte. Und selbst die Einwohner besuchen vermehrt die Kirche, auch die Frühmesse.«
    »Das ist aber nur die eine Seite«, mahnte Mathilde von Braunschweig. »Je mehr Fremde kommen, umso mehr zwielichtige Gestalten sind darunter. Die wollen auch etwas von dem Geld haben, das nach Rinteln getragen wird. Verehrter Bürgermeister Prutze, vergesst nicht, dass seit dem Frühjahr schon mehr Taschendiebe erwischt und bestraft wurden als sonst in einem ganzen Jahr. Es ist noch keine zwei Wochen her, da habt ihr persönlich auf einer Ratssitzung darauf hingewiesen.«
    Der Bürgermeister riss ungläubig die Augen auf. »Woher wisst ihr ...«
    »Ich weiß es eben. Ein kleines Vöglein hat es mir erzählt. Glaubt ihr wirklich, dass ihr hier etwas besprechen und entscheiden könnt, ohne dass ich oder mein Mann davon erfahren?«
    Verwirrt blickte Prutze die anwesenden Ratsherren an, doch die zuckten nur mit den Schultern. Wer war der Verräter? Aber im Grunde genommen war das eine überflüssige Frage. Wer gäbe schon freiwillig zu, dass er den Zuträger für die gräfliche Familie spielte?
    Plötzlich rief der Domdekan aus: »Das Wachs wird flüssig! Seht!« Er zeigt das Glasgefäß herum. Die rote Masse floss dickflüssig wie Honig. »Wir haben es doch nur geschüttelt und nicht erwärmt. Was passiert hier?«
    Alle Anwesenden umringten von Rottorf, um sich selbst von dem eigenartigen Inhalt zu überzeugen. Auch Agnes und Ludolfs Vater traten heran. Selbst die Soldaten hielt es nach einigen Augenblicken nicht mehr an ihrem Platz. Sie stellten sich auf die Zehenspitzen und machten lange Hälse.
    Dann rief jemand: »Das Blutwunder!« Und alle wiederholten die beiden Worte voller Ehrfurcht und Erstaunen. Sie waren überwältigt und wollten das heilige Gefäß voll religiöser Entzückung berühren, wenigstens einmal das Wunder in den eigenen Händen halten und dessen himmlische Kräfte in sich aufnehmen. So nah war man noch nie einem Mysterium gewesen, so nah hatte sich noch keiner Gott gefühlt. Viele Arme wurden der Phiole entgegengestreckt. Es kam zu einem Schieben und Schubsen, jeder wollte der Erste sein oder die Phiole wenigstens so lange wie möglich berühren.
    Aufgeregt kam von Rottorf zu Ludolf. »Woher habt ihr diese Reliquie? Ich wusste gar nicht, dass es hier gleich zwei gibt. Eigentlich sollte dann eine nach Minden in unseren Dom. Ich muss dem Bischof Otto sofort eine Nachricht senden, damit er als Herr der Diözese die Überführung anordnet.«
    Der junge Mann lächelte breit. Er genoss diese Szene – wie sich die Leute fast den Arm ausrissen, um an dieses Glasgefäß zu kommen. Die Überraschung war ihm hervorragend gelungen. Sein Vater war als Einziger eingeweiht Auch Agnes stand ein wenig abseits und hielt sich bei dem ganzen Trubel zurück. Argwöhnisch beobachtete sie ihren Verlobten. Ihr schwante etwas.
    Zuckersüß antwortete Ludolf dem Domdekan: »Ich habe dieses ... Ding selbst hergestellt.«
    »Vorsichtig, junger Herr!«, von Rottorf richtete sich drohend auf. »Keine
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