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Die heilige Ketzerin: Historischer Kriminalroman (German Edition)

Die heilige Ketzerin: Historischer Kriminalroman (German Edition)

Titel: Die heilige Ketzerin: Historischer Kriminalroman (German Edition)
Autoren: Frank Domeier
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des Erstaunens waren zu hören. Die Ratsherren steckten ihre Köpfe zusammen und tuschelten. Dabei blickte sie verstohlen zu Ulrich hinüber, der nicht so recht wusste, was gerade vor sich ging, und sich verlegen an der Nase zupfte.
    Jaspar Prutze war völlig überrascht. »Hat das etwa Maria gesagt?«
    »Ja.«
    »Ha!« Er fuchtelte wild durch die Luft. »Ganz klar. Sie deckt ihn, weil sie Angst vor ihm hat.«
    Agnes atmete tief durch. Sie nahm alle Kraft zusammen, um antworten zu können. »Nein, das ist es nicht. Der Herr von Engern ist nicht mehr in der Lage, ein Mädchen anzurühren.«
    Plötzlich war wieder Stille im Raum. Alle Blicke hingen an Agnes’ Lippen, als ihnen die Ungeheuerlichkeit der Behauptung bewusst wurde.
    »Was wollt ihr damit sagen?«, fragte die Gräfin.
    »Das muss ich kurz im Zusammenhang erklären. Damals in Italien, beim Krieg Venedigs gegen Genua – oder war es umgekehrt? Ist ja auch egal. Jedenfalls drangen die feindlichen Truppen in das Zentrum Chioggias ein, wo es überall zu Häuserkämpfen kam. Dabei sollen einige tausend Menschen getötet und mehrere tausend weitere verletzt worden sein. Zu den Bewohnern gehörten auch Maria und ihre Eltern.«
    Die Gräfin mischte sich ein: »Also Ulrichs Bruder und seine Frau?«
    »Nein. Maria ist nicht seine Nichte. Aber lasst mich bitte weiter erzählen. Einige Bewohner suchten in einer kleinen Kirche Schutz, doch sie wurde über ihren Köpfen angezündet. Wer sich nach draußen rettete, wurde sofort getötet, die anderen verbrannten jämmerlich. Alle kamen um – außer Maria. Sie hatte sich hinter dem Altar versteckt und überlebte. Dann kamen die Söldner herein, um das Gotteshaus zu plündern. Sie sahen das dreizehnjährige Mädchen und ... Den Rest könnt ihr euch sicherlich vorstellen.«
    Alle Anwesenden nickten. Mehr musste Agnes wirklich nicht sagen. Maria stand in der Ecke und blickte verzweifelt zu Boden. Wie schwer musste es ihr fallen, hier nun ihre eigene Lebens- und Leidensgeschichte zu hören. Aber es war ihr nicht mehr anzumerken als sonst auch. Traurigkeit und Verschlossenheit gehörten zu ihr wie kurze Tage und Dunkelheit zum Winter.
    Aber Agnes war noch nicht fertig. »Die Soldaten nahmen das Mädchen mit ins Lager. Einerseits, damit es ihnen immer wieder zu Willen war, andererseits war einer ihrer Kameraden schwer verletzt worden. Maria sollte ihn pflegen. Er hatte bei einem Kampf einen Hieb derart in den Unterleib bekommen, dass er nicht mehr in der Lage war, mit einer Frau Beziehungen zu haben. So verbündeten sich die beiden Verlierer. Maria pflegte Ulrichs Wunden, und Ulrich beschützte Maria gegen die Übergriffe der Söldner. Daher rührt der vertraute Umgang zwischen den beiden. Sie sind wirklich wie Vater und Tochter oder wie Onkel und Nichte. Und erst da wurde mir klar, warum Maria in Bezug auf Ulrich von Engern meinte: kein Mann. Während sie sonst immer voller Abscheu ›Männer‹ sagte.«
    Solche intimen Geheimnisse erfuhr man sonst nur hinter vorgehaltener Hand. Der Betroffene schaute verlegen zur Seite und sagte besser nichts dazu.
    Nach einem Moment der Unruhe und des Getuschels fragte der Bürgermeister: »Aber womit hatte Kunibert dann den von Engern in der Hand? Wieso hat er Maria bekommen?«
    »Es war der Holzdiebstahl. Kunibert wohnte neben Ulrich von Engerns Hof und war schließlich Holzfäller. Er wird schnell dahinter gekommen sein, womit Ulrich sein Geld machte.«
    »Und Maria war sozusagen die Gegenleistung für Kuniberts Schweigen.«
    »Ja. Sie war schließlich nicht Ulrichs Geliebte, sondern eher seine Tochter, die er einem anderen Mann zur Frau geben konnte. Deshalb hatte er sie ja auch zuerst seinem Kumpanen Hartwich versprochen.«
    Prutze nickte. Langsam verstand er. »Und so hatte dieser Bursche Hartwich einen Zorn auf Kunibert und tötete ihn.«
    Agnes ließ sich Zeit mit der Antwort. »Ja. Sie waren sich spinnefeind. Aber auch wegen der Tatsache, dass Kunibert das Geheimnis der Holzdiebstähle kannte. Der Streit wegen Maria war nur vorübergehend; denn Ulrich von Engern traf bei Reginus Westphal die Magd Elisabeth, die eine auffallende Ähnlichkeit mit Maria hat. Er kaufte sie dem Propst ab und schickte sie des Öfteren auf Botengänge zu Hartwich. Und so tröstete sich Hartwich sehr schnell mit Elisabeth.«
    »Und was war am Morgen des Überfalls auf Maria und Kunibert?«, wollte der Domdekan nun wissen. »Der Holzfäller ist doch bei den Nachtigals gesehen worden. Es gab doch Streit. Das
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