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Die Heilerin - Roman

Titel: Die Heilerin - Roman
Autoren: Bastei Lübbe
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alles mit gestohlenen Reichtümern gekauft?
    Als ich mir gerade die Reste meines falschen Heilerzopfes aus dem Haar kämmte, drangen Stimmen durch die Tür herein. Fordernde Stimmen. Ich verließ den Waschraum und ging zurück in das verglaste Zimmer.
    »... wissen, wo meine Schwester ist!«, brüllte Tali, als ich den Raum betrat. Aylin und Danello waren bei ihr, aber Soek konnte ich nirgends entdecken.
    »Nya!« Tali rannte auf mich zu, und wieder einmal lagen wir alle uns lachend und weinend in den Armen. Jeatar beobachtete uns mit einem traurigen Lächeln auf den Lippen. Er hob eine Hand, um sich am Nacken zu kratzen, woraufhin der zu weite Ärmel hochrutschte und eine lange Narbe auf der Innenseite seines Unterarms offenbarte.
    Genau wie auf seiner Brust.
    Die Erinnerung machte mich schaudern, und ich bemühte mich, ihn nicht mehr anzusehen. Ich arbeite für ihn, aber ich bin nicht sein Handlanger. Woher hatte er diese Narben. Hatte er sich den Baseeriblauen in den Weg gestellt und verloren, so wie wir ?
    »Wo ist Soek?«, fragte ich. »Er ist doch nicht von Plünderern verletzt worden, oder?«
    »Dem geht's gut«, sagte Aylin. »Er hat, wie versprochen, mein Zimmer bewacht. Der Generalgouverneur wollte alle Lehrlinge befragen und hat Soldaten geschickt. Soek ist mit ihnen gegangen und erzählt ihm jetzt, was der Erhabene getan hat.« Sie streckte eine Hand vor, als ich zu sprechen ansetzte. »Und, nein, er wird kein Wort über dich verlieren. Das hat er geschworen.«
    »Was ist passiert, Nya?«, fragte Tali. »Du bist einfach verschwunden, als wir beinahe draußen waren. Dann ist Jeatar aufgetaucht, und wir dachten, jetzt wäre alles aus, aber stattdessen hat er uns geholfen und uns versteckt. Und dann war da dieser Lärm, und der Putz ist von der Decke gefallen. Es heißt, der Erhabene wäre tot!«
    Ich verzog gepeinigt das Gesicht. »Ich habe jetzt keine Zeit, das zu erklären. Wir müssen ein paar Leute heilen.«
    »Was für Leute?«
    Ich zerrte Tali in Richtung Tür. Jeatar hatte einen Beutel neben ihr abgelegt.
    »Danello, nimmst du bitte den Sack? Er ist voller Pynvium.«
    »Pynvium?« Er sah verwirrt aus, schnappte sich den Sack aber wie gewünscht.
    Jeatar reichte mir eine Liste. »Der Name des Fischers steht ganz oben.«
    »Danke.« Ich schleifte Tali aus dem Zimmer und in Richtung Haupteingang. Danello und Aylin folgten uns, und beide stellten Fragen, die ich am liebsten ignoriert hätte.
    »Ist der Erhabene wirklich tot?«, fragte Tali.
    Ich stieß die Tür auf und blinzelte im Licht der Spätnachmittagssonne. Wie lange war ich bewusstlos gewesen? Mindestens ein paar Stunden. »Ja.«
    »Wie ?«
    Ich wollte es ihnen nicht erzählen, sollte es ihnen nicht erzählen. Es war sicherer für sie, es nicht zu wissen, aber ich hatte so viele Geheimnisse gehegt, so viele Lügen erzählt. Ich hatte genug davon.
    »Sie haben gesagt, wenn ich ihnen nicht dabei helfe, den Block zu stehlen, töten sie dich und die anderen Lehrlinge.«
    Das Keuchen um mich herum hatte nichts mit der Drohung zu tun, die Lehrlinge zu töten. Das war nichts Neues. Der geplante Diebstahl des Blocks schon. Ein Pynvium-Block voller Schmerz war beinahe genauso viel wert wie ein leerer Pynvium-Block.
    Mein Blick streifte die Türme des Gildenhauses, die sich in der Ferne jenseits der Rauchfahnen abzeichneten. Der Rauch war nun nicht mehr so dicht, was, wie ich hoffte, ein Zeichen dafür war, dass die Brände in der Stadt unter Kontrolle waren. Über die Dächer hinweg konnte ich nicht viel vom Gildenhaus erkennen, aber es sah aus, als wäre ein ganzer Abschnitt einfach verschwunden, so als hätte etwas mit vielen Zähnen einen großen Bissen davon genommen.
    »Nya?«, fragte Danello. »Was ist passiert?«
    »Hm? Oh, sie wollten, dass ich sie leere, und danach wollten sie sie einschmelzen und zu kleineren Ziegeln formen, um diese anschließend verkaufen zu können.«
    »Das verstehe ich nicht«, sagte Aylin. »Was hat das mit der Peinigung der Lehrlinge zu tun?«
    »Nichts.«
    »Nya«, sagte Tali, entriss mir ihre Hand, blieb auf der Stelle stehen und pflanzte beide Fäuste auf die Hüften. »Um der Liebe der Heiligen Saea willen, was ist los? Ich bewege mich um keinen Zoll mehr, solange du mir das nicht erklärt hast.«
    Ich biss mir auf die Lippe. Es behagte mir nicht, aber ich nahm an, es war an der Zeit, ihnen alles zu erzählen. Wie ich zu dem Pynvium gekommen war. Was ich Zertanik und dem Erhabenen angetan hatte. Und vor allem die
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