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Die Heilanstalt (German Edition)

Die Heilanstalt (German Edition)

Titel: Die Heilanstalt (German Edition)
Autoren: Simon Geraedts
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hatte er bemerkt, dass auch Melanie so empfand, auch wenn ihr Argwohn gegen diesen Ort weniger ausgeprägt sein mochte. Genau dies anzusprechen, erschien ihm aber zum gegenwärtigen Zeitpunkt unpassend. Daher schüttelte er nur den Kopf und betonte noch einmal, wie herrlich gestaltet dieser Garten war und wie recht sie gehabt hatte.
    »Hab ich doch gesagt!«
    Sie strahlte über das ganze Gesicht und hatte Patricks Abbruch mitten im Satz somit – wie er gehofft hatte – lediglich als Zeichen der Begeisterung gedeutet, in der ja zumeist die Worte versagen.
    »Na, komm. Spazieren wir ein Stück durch dieses kleine Paradies!«
    Sie nahm Patrick wieder an der Hand, der zustimmend lächelte. Gemeinsam folgten sie dem Verlauf des Sandpfades, der auf den zentral im Garten aufragenden Drachenbaum zuführte, um sich vor seinem breiten Stamm deltaförmig nach links und rechts zu gabeln. Eine Weile schritten sie stumm nebeneinander her, während Patrick mit anhaltendem Erstaunen die Pflanzen am Wegesrand musterte und einige von ihnen zaghaft befühlte; freilich nur an den Blättern, da ihm die Blüten der meisten Gattungen doch zu zart und zerbrechlich erschienen, um die Berührung einer groben Menschenhand unbeschadet zu überstehen. Hin und wieder ließ er den Blick auf einem Informationstäfelchen ruhen und las einige Zeilen, auch wenn sein Interesse an den Daten und Fakten eher gering war. Im Grunde wollte er nur die Wanderung durch diese scheinbare Freilichtnatur genießen, während er seine Lunge mit der frischen Luft füllte, in die sich allerlei Blütendüfte mischten.
    Melanie hatte einige Male den Mund geöffnet, um ein Gespräch zu beginnen, wollte Patrick aber in seiner augenscheinlichen Freude am Spaziergang nicht stören. Als sie vor zwei Wochen erstmals diesem Pfad gefolgt war, hatte sie sich in einem ähnlichen Schwebezustand der Stille und Erholung befunden, und wollte Patrick dieses Wandererlebnis nun ebenfalls gönnen.
    Als sie den Stamm des Drachenbaumes in einem weiten Bogen umwandert hatten und sich nun auf dem Rückweg zum Eingang befanden, brach Patrick das Schweigen.
    »Weshalb bist du eigentlich hier in Behandlung?«
    Ihm war das Gewicht dieser Frage bewusst, und er schämte sich, als er Melanies betroffenen Gesichtsausdruck sah. »Tut mir leid. Es geht mich ja nichts an.«
    »Nein, das ist es nicht. Nur …«
    Patrick sah sie fragend an, aber sie schien selbst nicht recht zu wissen, was sie so betroffen machte, oder sie war unschlüssig, ob sie es sagen oder lieber für sich behalten sollte. Melanie atmete tief ein und stieß die Luft seufzend wieder aus.
    »Es ist seltsam«, sagte sie. »Auf der Arbeit ist mir der Stress wohl zu viel geworden – ich bin als Krankenpflegerin tätig – und eines Tages – nun, Morgens trifft es wohl besser, denn ich hatte Frühschicht – eines Morgens also erlitt ich einen Schwächeanfall, und mir wurde schwarz vor Augen. Anscheinend habe ich kurz das Bewusstsein verloren und mir beim Sturz den Kopf an einer Tischkante angeschlagen. Es tat nicht sehr weh, und ich habe meine Schicht wie üblich beendet. In den nächsten Tagen fühlte ich mich aber mitgenommen, ich war nicht so recht bei mir. Nun ja, das klingt wohl alles schlimmer als es ist. Aber da es mir seither schwerfiel, meine Arbeit so sorgfältig zu erledigen, wie man es von mir gewohnt war, hat mein Arbeitgeber mir eine Kur in einem angesehenen Sanatorium empfohlen. Er sagte, sobald ich mich erholt hätte, könne ich meine Arbeit ja wieder aufnehmen.«
    Sie hielt inne und zuckte mit den Achseln. »Das ist die ganze Geschichte. Ich bin also nur hier, um Stress abzubauen.«
    Patrick nickte, fragte aber natürlich nach, was an dem Ganzen denn so seltsam sei?
    Melanie antwortete nicht gleich und blickte mit bedrückter Miene zu Boden. Dass Patrick aber genau dies noch einmal aufgreifen würde, musste sie gewusst, ja sogar gewollt haben, da sie andernfalls zu Beginn kaum so geheimnisvoll gesprochen hätte.
    »Wenn es eben nur das wäre!«
    Patrick zog die Brauen zusammen und wollte wissen, wie sie das denn meine?
    Und auch diese Nachfrage hatte sie eindeutig beabsichtigt. Also hob sie wieder den Blick und sagte endlich, was sie seit ihrer Ankunft in dieser Heilanstalt sagen wollte, wozu ihr aber bis zu diesem Augenblick sowohl eine Gelegenheit als auch ein vertrauenswürdiger Gesprächspartner gefehlt hatten. Ihr Therapeut hätte sie ihrer Überzeugung nach aufgrund dessen, was in ihr vorging und sie so
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