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Die Haischwimmerin

Die Haischwimmerin

Titel: Die Haischwimmerin
Autoren: Heinrich Steinfest
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in der Hotelhalle. Er sagte: »Er ist ein süßer Kerl, nicht wahr?«
    Â»Ja, sicher, wir nehmen ihn mit nach Hause.«
    Â»Wir?«
    Â»Ich will damit sagen, ich werde dir helfen, ihn heil nach Deutschland zu bringen. Das ist alles. Und jetzt komm, ich muß ein Buch abholen.«
    Eine gute Stunde später erreichten sie den Laden des Puppenmachers. Nicht ohne sich ein paarmal verirrt zu haben, was kaum störte, weil die Zeit jetzt wieder ein schönes, rundes Weib war. Es war Nacht in Toad’s Bread. Schwarzweiße Nacht. Im Laden brannte noch Licht. Lilli sah auf die Uhr. Demnächst würden die Farben zurückkehren.
    Â 
    Â»Ach Sie«, meinte Giuseppe Tyrell, der noch immer hinter seinem Arbeitstisch saß, fortgesetzt einen Smoking tragend. Vor ihm lagen eine kleine Apparatur und etwas Werkzeug. Links davon jene stark zerlesene Taschenbuchausgabe von Thomas von Kempens Die Nachfolge Christi. Auf der anderen Seite befand sich das aufgeschlagene Photoalbum, in das bereits die Bilder eingefügt waren, die das Duo Lilli & Yamamoto zeigten. Die soeben aufgenommenen Photos des Duos Lilli & Ivo würden folgen.
    Tyrell nahm die Uhrmacherlupe aus seinem rechten Auge und fragte Lilli, wobei er Richtung Ivo blinzelte: »Haben Sie den Kollegen ausgetauscht?«
    Â»Herr Berg ist ein alter Freund.«
    Â»Oh ja, Mister Berg also«, sagte Tyrell, der diesen Namen offensichtlich nicht zum ersten Mal vernahm. Die Frage, die er aber stellte, ging an Lilli: »Wo sind die Photos?«
    Lilli legte die drei Bilder auf den Tisch.
    Â»Schön! Und? Haben Sie Breschnew erwischt?«
    Breschnew? Richtig, so war Romanow anfänglich bezeichnet worden, als Breschnew. Lilli erzählte, was geschehen war, wie sich der Mörder dem Zugriff der Polizei entzogen hatte.
    Â»Eigentlich ein sauberer Abschluß«, kommentierte Tyrell, nahm die drei Bilder, die also einen toten Mann zeigten, und fügte sie zurück in die Halterungen des Photoalbums. Lilli wiederum faßte nach dem zergriffenen Exemplar der Nachfolge Christi und deponierte es in der wohldurchdachten Ansammlung ihrer blauschwarzen Handtaschenhöhle.
    Â»Warum hängen Sie eigentlich so an dem Buch?« fragte der Puppenmacher.
    Â»Warum hängen Sie so an Ihren Photos?«
    Tyrell murmelte etwas Unhörbares. In dieses Murmeln hinein bat Lilli ihn um zwei Puppen, zwei von den Fellpuppen. Welche sie natürlich bezahle.
    Â»Haben Sie jemand zu beerdigen?« fragte Tyrell. »Oder denken Sie einfach an die Zukunft?«
    Â»Sowohl als auch«, antwortete Lilli. Sie plante, die eine Puppe Dr. Ritter zu widmen. Obgleich er keiner von den Guten gewesen war, wollte sie ihm dennoch auf diese Weise etwas Seelenfrieden verschaffen. Und wer war schon restlos gut? Die andere Puppe war in der Tat für Zukünftiges gedacht. Eine Puppe in petto.
    Tyrell holte zwei Stück und reichte sie Lilli. Sie zahlte den verlangten Betrag und brachte die beiden Exemplare in ihrer nun vollends vollen Tasche unter.
    Â»Ãœbrigens, Mister Berg«, richtete sich Tyrell nun an den Mann an Lillis Seite, »Professor Oborin wollte Sie sprechen. Ich werde Sie mit ihm verbinden.«
    Â»Sie wissen von Oborin?« staunte Ivo.
    Â»Ich würde sonst kaum seinen Namen kennen, nicht wahr?« Man konnte Tyrell ansehen, wie sehr er die Menschen verachtete. Auch für ihn galt, wie für fast alle Puppenmacher, ein Ausspruch, der gleichfalls aus dem ersten Matrix -Film stammte: Nimm nie einen Menschen, wenn du eine Maschine dafür nehmen kannst.
    Tyrell griff zur Seite und stellte ein altes Wählscheibentelephon auf den Tisch, dessen Kabel zwischen den Seiten eines Weltatlas eingeklemmt war. Er hob den Hörer, wählte eine ziemlich lange Nummer und hielt ihn Ivo entgegen. »Hier! Oborin wartet schon.«
    Â»Ja?« sprach Ivo in die Löcher hinein, diese kleinen, schwarzen, runden Münder, die die Stimme aus seinem eigenen Mund einsaugten.
    Â»Was los mit Galina?« vernahm er die Stimme des Professors.
    Â»Es geht ihr gut«, erklärte Ivo. »Aber Romanow ist tot. Was also heißt, daß er gewissermaßen noch einmal gestorben ist. Warum haben Sie uns verschwiegen, daß er noch am Leben war?«
    Doch Oborin zeigte sich überrascht. Erklärte, davon überzeugt gewesen zu sein, Romanow sei umgebracht worden, kurz bevor er, Ivo, nach Ochotsk gekommen war. So, wie ja auch von allen behauptet.
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