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Die hässlichste Tanne der Welt (German Edition)

Die hässlichste Tanne der Welt (German Edition)

Titel: Die hässlichste Tanne der Welt (German Edition)
Autoren: Annette Bluhm
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ich dich mit nach Hause als mein Weihnachtsge-»
    «Churchill, du alter Gauner! Flirtest du mit schönen Frauen?»
    Eine sonore Männerstimme unterbricht meine tröstenden Worte an den Hund, der nun die Ohren spitzt, den Kopf hebt und sich aufrappelt. Ich drehe mich um und erblicke einen älteren Herrn im dunklen Wintermantel. Als er näher kommt, kann ich kaum fassen, wer da mit großen Schritten auf mich zueilt.
    «Das gibt’s doch nicht!», sagt er ebenfalls überrascht. «Ursel!»
    «Hallo, Friedrich! Das ist wirklich ein lustiger Zufall!» Ich mustere ihn verstohlen. Friedrich Hirsch war immer schon ein gutaussehender Mann und sieht auch mit den inzwischen ergrauten Haaren äußerst attraktiv aus.
    «Hallo Ursel.» Er drückt meine Hand. «Ewig her, dass wir uns gesehen haben. Müssen an die fünfzehn Jahre sein. Ich habe oft überlegt, wie es euch wohl geht, und ob ihr überhaupt noch im Viertel wohnt. Umso schöner, dass wir uns zufällig über den Weg laufen. Wenn auch an einem etwas seltsamen Ort.» Er lässt meine Hand los und löst die Leine vom Torgitter. «Du erinnerst dich an Churchill?»
    «Ehrlich gesagt habe ich ihn nicht erkannt», antworte ich wahrheitsgemäß. «Er mich aber scheinbar schon, denn er war ungewöhnlich zutraulich.»
    «Der alte Charmeur. Trotz seiner fast siebzehn Jahre immer noch hinter den Damen her.» Liebevoll tätschelt Friedrich den Kopf des Rüden. «Aber erzähl, wie geht es dir? Du siehst blendend aus! Was machen die Kinder? Alle wohlauf will ich hoffen?!»
    «Nun, die
Kinder
sind längst erwachsen. Madeleine folgt immer noch ihrem eigenen Kopf. Und Katja ist verheiratet, hat zwei Jungs und mich zur stolzen Großmutter gemacht», liefere ich einen kurzen Bericht und frage nach Solveig und Robert.
    «Robert ist in meine Fußstapfen getreten und hat die Apotheke übernommen», sagt Friedrich. «Was mich natürlich sehr glücklich gemacht hat. Und die Kleine, also Solveig …» Er stockt, weil Churchill an der Leine zerrt. «Hast ja recht, alter Knabe», redet er dem Tier zu. «Dem ist langweilig. Und besonders gemütlich ist es hier auch nicht. Hast du etwas Zeit? Darf ich dich zu einem Glühwein einladen?»
    «Sehr gern!»
    «Wenn du magst, können wir auf dem kleinen Weihnachtsmarkt am Stephansplatz etwas trinken und Solveig besuchen», schlägt er vor, während Churchill die Straße entlangzieht. «Sie hat dort einen Stand gemietet. Ich verrate dir noch nicht, was sie verkauft, aber du wirst bestimmt überrascht sein.»
    Das Gespräch ist seltsam vertraut zwischen uns. Was aber auch kein Wunder ist. Die Kinder des Apothekers sind mit unseren Töchtern auf dasselbe Gymnasium gegangen, und Katja war früher eng mit Solveig befreundet. Leider hat sich der Kontakt nicht gehalten. Das Letzte, was ich von Familie Hirsch erfahren hatte, war, dass Friedrichs Frau vor zwei oder drei Jahren an Lungenkrebs gestorben ist.
    «Ich war vorhin an Erikas Grab», erklärt Friedrich, und nach einer kurzen Pause sagt er mit seltsam ruhiger Stimme: «Jetzt geht es ihr hoffentlich besser als im letzten Lebensjahr, wo sie kaum noch Luft bekam.»
    «Oh, das tut mir leid! Das war sicher eine schwere Zeit für die Familie.»
    «Danke, Ursel. Ja, es war schwer, und vor allem wurde mir in dieser Zeit bewusst, dass das Leben endlich ist. Zu Lebzeiten habe ich Erika manchmal mit ihrer Sucht aufgezogen, und dass sie wohl im Grab weiterrauchen würde. Worauf sie meinte, ich könne ja bei jedem Friedhofbesuch eine Zigarette für sie anzünden. Wenn ich sie besuche und mich daran erinnere, muss ich jedes Mal lachen. Ich hoffe nur, dass mich niemand dabei beobachtet.»
    «Das Gefühl kenne ich … Bevor wir uns trafen, habe ich Hermanns Grab besucht und ein Gesteck hingelegt, er wäre heute sechsundsechzig geworden, und mich ein wenig mit ihm
unterhalten
, wenn du verstehst …»
    Friedrich bleibt stehen, weil Churchill eine Hausecke ausgiebig beschnüffelt und sie dann halb im Sitzen wie eine Hündin markiert. «Sieh dir den Hund an. Auch er ist alt geworden, kann sein Bein nicht mehr richtig heben, pinkelt wie ein Mädchen und hat einen Herzfehler. Laut Tierarzt kann es jeden Tag zu Ende gehen. Wer weiß, ob das nicht sein letztes Weihnachten ist.»
    «Auf mich macht er noch einen ganz munteren Eindruck.» Ich mustere den struppigen Vierbeiner. «Bisschen langsam vielleicht, aber das werden wir doch alle mit den Jahren. Ich kann mich noch gut erinnern, wie ihr ihn bekommen habt.»
    «Ja, das war sehr
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