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Die Glasglocke (German Edition)

Die Glasglocke (German Edition)

Titel: Die Glasglocke (German Edition)
Autoren: Sylvia Plath
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Warum trommeln sie dazu immer bloß Yalies zusammen? Die sind so stumpfsinnig!«
    Buddy Willard besuchte Yale, und wenn ich jetzt darüber nachdachte, war es genau das, was an ihm nicht stimmte: er war so stumpfsinnig. Es war ihm gelungen, gute Noten zu bekommen und am Cape Cod mit irgendeiner furchtbaren Kellnerin namens Gladys anzubändeln, aber er besaß nicht einen Funken Phantasie. Doreen hatte Phantasie. Alles, was sie sagte, klang, als spräche eine heimliche Stimme aus meinem tiefsten Inneren.
    Wir saßen in der abendlichen Rush-hour fest. Unser Taxi wareingekeilt, vor uns das Taxi von Betsy, hinter uns eines mit vier von den anderen Mädchen, und nichts bewegte sich.
    Doreen sah hinreißend aus. Sie trug ein schulterfreies weißes Kleid mit Spitzenbesatz, das dank eines knappen Korsetts um die Taille sehr eng saß, während es die Wölbungen nach oben und unten großartig zur Geltung brachte, und ihre Haut hatte unter dem matten Puder einen bronzefarbenen Glanz. Sie roch wie ein Parfümladen.
    Ich trug ein enges Röhrenkleid aus schwarzer Schantungseide, das mich vierzig Dollar gekostet hatte. Es stammte von einem Einkaufsbummel, den ich mit einem Teil des Geldes von meinem Stipendium unternommen hatte, nachdem ich erfahren hatte, daß ich zu den Glücklichen gehörte, die nach New York fahren durften. Dieses Kleid war so seltsam geschnitten, daß ich keinen Büstenhalter darunter tragen konnte, aber das war nicht weiter schlimm, denn ich war so dünn wie ein Junge und auch fast so flach, und außerdem hatte ich es gern, wenn ich mir an warmen Sommerabenden fast nackt vorkam.
    Die Großstadt hatte allerdings meine Bräune gebleicht. Ich sah gelb aus wie ein Chinese. Normalerweise hätten mich mein Kleid und meine sonderbare Farbe nervös gemacht, aber in Doreens Nähe vergaß ich meine Sorgen. Ich kam mir ungeheuer erfahren und allen höllisch überlegen vor.
    Als der Mann in dem blauen Holzfällerhemd, den schwarzen Chinos und den gepunzten Cowboystiefeln unter der gestreiften Markise einer Bar vortrat, von wo er unser Taxi erspäht hatte, und zu uns herüberschlenderte, machte ich mir keine Illusionen. Ich wußte genau, daß er wegen Doreen kam. Er schlängelte sich zwischen den haltenden Autos hindurch und lehnte sich mit einnehmendem Lächeln durch das offene Fenster zu uns herein.
    »Und was machen zwei so nette Mädchen wie ihr an so einem schönen Abend so allein in einem Taxi, wenn ich fragen darf?«
    Er hatte ein breites, weißes Zahnpastalächeln.
    »Wir fahren zu einer Party«, stieß ich hervor, da Doreen plötzlich stumm geworden war und gelangweilt an ihrem spitzenbesetzten Handtäschchen herumfingerte.
    »Das klingt langweilig«, sagte der Mann. »Warum kommt ihr nicht mit, und wir trinken was, drüben in der Bar? Da warten noch ein paar Freunde von mir.«
    Er nickte in die Richtung einiger lässig gekleideter Männer, die sich unter der Markise herumdrückten. Sie waren ihm mit den Blicken gefolgt, und als er sich nach ihnen umsah, begannen sie zu lachen.
    Das Gelächter hätte mich warnen sollen, dieses verhaltene, besserwisserische Kichern. Aber der Verkehr kam offenbar wieder in Bewegung, und ich wußte, wenn ich jetzt sitzen blieb, würde ich mir in zwei Sekunden wünschen, ich hätte diese einmalige Chance genutzt, von New York mal etwas anderes zu sehen als das, was die Leute von der Zeitschrift für uns so sorgfältig aussuchten.
    »Wie wär's, Doreen?« fragte ich.
    »Wie war's, Doreen?« fragte der Mann und lächelte sein breites Lächeln. Bis heute kann ich mich nicht daran erinnern, wie er aussah, wenn er nicht lächelte. Er muß die ganze Zeit über gelächelt haben. Er muß von Natur aus gelächelt haben.
    »Na schön«, sagte Doreen zu mir. Ich öffnete die Tür, und wir stiegen aus dem Taxi, gerade als es anfuhr, und machten uns auf den Weg zu der Bar.
    Bremsen quietschten, dann ein dumpfes Poltern.
    »He, Sie da!« Unser Fahrer hatte den Kopf zum Fenster hinausgesteckt und sah uns mit dunkelrotem Gesicht wütend nach. »Was fällt Ihnen ein?!«
    Er hatte so scharf gebremst, daß das folgende Taxi auf ihn geprallt war. Wir konnten sehen, wie die vier Mädchen mit den Händen fuchtelten und sich mühsam hochrappelten.
    Der Mann lachte, ließ uns an der Bordsteinkante stehen, ging zurück und gab dem Fahrer inmitten eines Hupkonzerts und allerlei Geschrei einen Geldschein, dann sahen wir die Mädchen von der Zeitschrift in einer langen Prozession vorbeifahren, ein Taxi hinter dem
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