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Die Glasblaeserin von Murano

Die Glasblaeserin von Murano

Titel: Die Glasblaeserin von Murano
Autoren: Marina Fiorato
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vom Heiligen Herzen lächelte gütig auf die drei Menschen herab. Das Herz loderte in ihren Händen, und jetzt verstand Leonora - das Herz war ihr Sohn.
    Während der ersten aufregenden Wochen, die von ständigem Stillen und gestörter Nachtruhe gekennzeichnet waren, hatte Alessandro Urlaub. Daher war er auch anwesend, als ein unerwarteter Besucher eintraf. Hinter einem riesigen Blumengebinde verborgen trat Adelino in die Wohnung, küsste Leonora und Alessandro auf beide Wangen und tätschelte den Kleinen behutsam. Das Baby lag auf einem Schaffell in der Wohnküche und war, wie    schon seine Mutter und Großmutter vor ihm, ganz verzaubert von den Lichtreflexen, die das Wasser des Kanals auf die Zimmerdecke malte. Es griff nach Adelinos Zeigefinger und hielt ihn fest umklammert.
    «Er ist stark», bemerkte Adelino. «Das ist sehr gut für seinen zukünftigen Beruf.» Er blies die Backen auf, als blase er einen Külbel, und ließ dann die Luft mit einem kleinen Knall entweichen. Das Baby beobachtete ihn fasziniert. Alessandro hatte für ihn den Polstersessel näher herangezogen, und Adelino ließ sich nun darauf nieder. «Also», begann der alte Mann, «ich habe zwei Geschenke mitgebracht: eines für die Mutter und eines für den Sohn. Für den Vater habe ich nichts, aber der besitzt ja auch schon alles, was sein Herz begehrt.» Adelino zwinkerte Alessandro zu. «Und jetzt - ladys first.» Er zog eine zusammengefaltete Zeitung aus der Tasche und reichte sie Leonora. Bei ihrem Anblick zuckte Leonora ein wenig zurück, da sie sich mit Schrecken an die schlimmen Ereignisse der Vergangenheit erinnerte.
    «II Gazzettino.»
    Sie blickte zu Alessandro hinüber und bekam gerade noch mit, dass sich die beiden Männer ein kleines, verschwörerisches Lächeln zuwarfen. «Na los», forderte Alessandro sie ungeduldig auf, «nun lesen Sie schon.»
    Leonora faltete die Zeitung auseinander und warf einen Blick auf die Schlagzeile und den einleitenden Text der ersten Seite:
    Corradino Manin - Maestro und Märtyrer
    Aus Liebe zu seiner Tochter, deren Existenz Corradino Manin aus Sicherheitsgründen geheim halten musste, lieferte er sich dem sicheren Tod aus. Lesen Sie die erstaunliche, wahre Geschichte, wie einer der größten Söhne unserer Stadt sich selbst zum Opfer brachte.
    Leonoras Augen wanderten zum Ende des Artikels. Dort stand: «Ein Exklusivbericht von Vittoria Minotto». Leonora zog eine Braue hoch. «Vittoria?»
    Alessandro lächelte. «Ich habe ihr Corradinos Notizbuch geschickt. Mit Erlaubnis des Küsters selbstverständlich. Inzwischen liegt es längst wieder sicher in der Pietä. Es sollte eine Überraschung für dich sein.»
    «Das ist es allerdings. Sie scheint ja wie verwandelt zu sein.»
    Alessandro ließ sich neben seinem Sohn auf dem Fußboden nieder und kitzelte dem Baby den Bauch. «Wohl kaum. Wenn du sie so lange kennen würdest wie ich, wüsstest du, dass das Einzige, was für Vittoria zählt, ein Exklusivbericht ist. Sie ist kein böser Mensch, aber für eine gute Story würde sie tatsächlich alles und jeden verraten. Deshalb hat das mit uns beiden auch nicht geklappt. Bei ihr kommt der Beruf an erster Stelle - vor allem, selbst vor dem Partner und der Familie.»
    Beim Stichwort Beruf schaute Adelino ein wenig betreten. «Wo wir gerade von Beruf reden, wir ... ich hätte gern, dass Sie wieder bei mir arbeiten, sobald Ihre Familie ohne Sie auskommen kann.»
    Leonora senkte kurz die Augen und dachte daran, wie sie beide auseinander gegangen waren, dass sie sich von ihm im Stich gelassen gefühlt hatte.
    «Wir brauchen Sie! Bald werden wir eine Menge zu tun haben. Dieser Artikel ist erst heute Morgen erschienen, und gegen Mittag lagen bereits Hunderte von Bestellungen für die Manin-Serie vor. Die Menschen sind wirklich seltsam - auf einmal ist Corradino für sie wieder ein Held. Wir werden die Anzeigen wahrscheinlich landesweit schalten. Chiara und Semi sind schon ganz aufgeregt.»
    Leonora musste lachen. «Darauf möchte ich wetten.»    Doch sie zögerte noch zuzusagen. Viele Dinge gingen ihr im Kopf herum - Worte, die gefallen waren, die Behandlung, der sie in der Fondaria seitens ihrer Kollegen ausgesetzt war. Doch stärker als all das war die Erinnerung an den Geruch der Öfen, an das heiße Glas, das durch ihren Atem wuchs und unter ihren Händen Form annahm. Das alles liebte sie so sehr, dass sie glaubte, nicht darauf verzichten zu können. Doch sie wollte ganz sichergehen. «Wie soll ich wissen,
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