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Die Gewürzhändlerin

Die Gewürzhändlerin

Titel: Die Gewürzhändlerin
Autoren: Petra Schier
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Legende erfahren hatten. Albrecht war wegen schweren Betruges in den Ochsenturm gesperrt worden. Den Mord an dem Steuermann konnte man ihm freilich nicht nachweisen, gab es doch weder Zeugen noch ein Geständnis. Das war jedoch nicht mehr nötig, wie sich kurz darauf gezeigt hatte. Seit Albrecht die Reliquie berührt hatte, schien er den Verstand verloren zu haben. Er schrie und klagte in einem fort, seine Hand würde verbrennen, obgleich nicht die winzigste Brandwunde zu sehen war. Schließlich hatte man ihn vom Gerichtsplatz an der Blutlinde auf dem Florinshof fortführen müssen, da er gar zu großes Aufsehen erregte. Später dann, als man ihn gemäß dem Urteil in eine Zelle im Ochsenturm gesperrt hatte, war sein Toben und Geschrei immer schlimmer geworden. Irgendwann hatte einer der Wächter nach dem Rechten sehen wollen. Als der Mann jedoch die Tür aufgeschlossen hatte, war Albrecht an ihm vorbei aus der Zelle gerannt. Anschließend hatte er sich in blinder Panik die Treppe hinabgestürzt und sich dabei das Genick gebrochen.
    Luzia nahm das Kreuz in die Hand und betrachtete es nachdenklich. War es wirklich möglich, dass eine Reliquie solche Macht entfalten konnte, dass sie Recht von Unrecht, Gut von Böse zu unterscheiden und sogar zu richten vermochte? Die Stimme ihrer Mutter aus dem Traum klang ihr in den Ohren:
    «Dein Glücksbringer. Nie hätten wir gedacht, dass dies eine so mächtige Reliquie ist. Sie dient nur denjenigen, die im Herrn wandeln, Luzia. Jeden anderen wird sie vernichten.»
    Das Kreuz hatte Albrecht vernichtet. Durch eine einfache Berührung. Seither schwieg es und schien sich in das wertvolle Schmuckstück zurückverwandelt zu haben, als das es Unwissende ansehen würden.
    Der Einzige, der noch nichts von ihren Erkenntnissen wusste, war Martin. Man hatte ihn noch am Donnerstag aus der Haft entlassen. Seither war sie ihm nicht mehr begegnet. Johann hatte ihn noch am selben Tag aufgesucht, doch für Luzia hatte sich kein plausibler Grund ergeben, an jenem Abend das Anwesen am Kornmarkt aufzusuchen. Auch am Freitag war sie nicht hingegangen. Sie sagte sich, dass sich Martin nach den Tagen des Eingesperrtseins erst einmal erholen müsse. Ähnlich hatte sie auch noch am gestrigen Samstag vor sich selbst argumentiert. Obendrein hatte sie ihre Pflichten gegenüber Elisabeth vorgeschoben und ihre Freundin bereitwillig zu deren wöchentlichem Besuch im Badehaus begleitet. Elisabeth hatte kein Wort darüber verloren.
    Jetzt, am Sonntag, wusste Luzia allmählich nicht mehr weiter. Es war nicht so, dass sie erwartete, Martin würde zu ihr kommen. Mit der Rückgabe der Kette, das spürte sie, hatte er deutlich gemacht, dass es an ihr war, sich zu entscheiden. Es schien, als stünden sie wieder ganz am Anfang.
    Als es plötzlich leise an der Tür klopfte, schrak Luzia aus ihren Gedanken hoch.
    «Du hast Besuch, Luzia.» Elisabeth streckte den Kopf in Luzias Kammer und lächelte ihr vielsagend zu.
    Luzias Herz pochte sogleich einige Schläge schneller. «Besuch?»
    «Dein Bruder wartet unten in der Stube auf dich.»
    «Oh.» Luzias Herz beruhigte sich so rasch, dass es sich anfühlte, als habe es kurzfristig ganz ausgesetzt. «Ich komme.»
    Als sie sich erhob und an Elisabeth vorbeigehen wollte, hielt diese sie am Arm fest. «Wie lange willst du noch warten?»
    Verlegen schlug Luzia die Augen nieder. «Worauf warten?»
    «Luzia!» In Elisabeths Stimme mischte sich eine Spur Ungeduld.
    «Ich … ich muss sehen, was Anton von mir will», sagte Luzia rasch und flüchtete die Treppe hinab.
    Elisabeth sah ihr mit einem milden Kopfschütteln nach. Sie kannte den Dickschädel ihrer Freundin zur Genüge und hoffte, Antons Besuch bedeutete, dass ihr kleiner Plan in Gang kam. Am Vortag hatte sie in der Badestube zufällig Carissima von Ders getroffen und sie um einen winzigen Gefallen gebeten, als Luzia eine kleine Weile nicht in ihrer Nähe gewesen war. Carissima, von Natur aus mit einem großen Herzen und schwärmerischer Seele gesegnet, hatte ihr gleich mit großer Begeisterung versprochen, sich darum zu kümmern.
    * * *
    Luzia betrat die Stube und umarmte ihren Bruder herzlich. «Anton, wie schön, dich zu sehen. Wie geht es dir?»
    «Och, mir geht’s gut.» Anton grinste. «Ich wollte mal sehen, was du machst. Warum kommst du denn nicht mehr ins Kontor?»
    «Weißt du, ich … ah …»
    «Weil … Weißt du, Herr Wied ist ganz schön sauer.»
    «Sauer?» Verblüfft trat Luzia einen Schritt zurück. «Warum
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