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Die Gewürzhändlerin

Die Gewürzhändlerin

Titel: Die Gewürzhändlerin
Autoren: Petra Schier
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nichts nachweisen kann und dass er Martin Wied die Verletzung seiner Ehre heimzahlen will.»
    «Irmhild, halt den Mund und verschwinde!», fuhr Thal seine Tochter unwirsch an. «Du hast hier nichts verloren.»
    «Da muss ich Euch leider widersprechen», sagte Hole ruhig. «Mir scheint, wir sollten die Aussage Eurer Tochter sehr wohl berücksichtigen.»
    «Sie ist ein Weib!», polterte Thal. «Ein unverheiratetes noch dazu. Sie hat gar nichts auszusagen.»
    «Wen wir als Zeugen zulassen und wen nicht, überlasst bitte dem Schöffenkollegium und dem Vogt», erwiderte Hole gelassen. «Der Prozess gegen Martin Wied findet am morgigen Donnerstag vor dem hohen Gericht statt. Allerdings scheint es, als habe sich die Besetzung der Anklagebank deutlich verändert.» Er blickte Thal kalt in die Augen. «Ihr habt morgen vor Gericht zu erscheinen. Tut Ihr es nicht, werdet Ihr mit Waffengewalt vorgeführt.» Anschließend wandte er sich an Albrecht. «Und Ihr kommt gleich mit uns. Euch will ich noch heute befragen lassen.»
    «O nein, so nicht!», rief Albrecht. Seine Stimme kippte vor Zorn beinahe über. Wütend stürzte er sich auf Luzia und packte sie mit einer Hand an der Schulter.
    «Lasst mich los!» Entsetzt wich sie zurück.
    «Den Teufel werde ich tun. Ich hätte dir schon damals den Hals umdrehen sollen. Dir und dieser feilen Metze von Elisabeth. Und dem verkrüppelten Pfeffersack hätte ich einen Dolch zwischen die Rippen stoßen sollen.» Ehe noch jemand reagieren konnte, hatte er mit der anderen Hand ein Messer gezogen und hielt es Luzia an die Kehle.
    Vor Schreck hörte sie auf zu atmen. Niemand rührte sich.
    Albrecht ließ ihre Schulter los und zerrte an ihrem Mantel, sodass er sich oben öffnete. Anschließend griff er Luzia an den Ausschnitt ihres Kleides und riss grob daran. «Dir werde ich zeigen, was …» Mitten im Satz brach er ab. Auf seinem Gesicht erschien ein Ausdruck von Überraschung, der sich einen Augenblick später in Entsetzen verwandelte. «Was ist das?» Er hatte das silberne Kruzifix umfasst und zog es unter Luzias Mantel hervor. «Warum summt es? Es ist ganz … heiß …» Seine Stimme brach, dann schrie er plötzlich vor Schmerz auf. «Nein! Es verbrennt mich! Was bist du? Eine Hexe?»
    Mit verzerrter Miene stieß er Luzia so heftig von sich, dass sie ins Straucheln geriet. Beinahe wäre sie gestürzt, doch Loerbek fing sie noch rechtzeitig auf. Die Schöffen stürzten sich auf Albrecht, der noch immer schrie und Verwünschungen ausstieß.
    «Das Kreuz, das Kreuz, es ist verhext! Ergreift dieses Weib!», schrie er mit schriller Stimme und hielt sich dabei die rechte Hand, in der er offenbar schlimme Schmerzen hatte. Sein wilder Blick schien Luzia durchbohren zu wollen.
    «Was soll das?» Hole trat auf ihn zu, ergriff die Hand und musterte sie eingehend. Da er offenbar nichts Ungewöhnliches an der Hand erkennen konnte, wandte er sich Luzia zu. «Lasst sehen, was Ihr da habt.»
    Unsicher ging Luzia auf den Schultheißen zu und zeigte ihm das Kruzifix. Es hatte zu sirren aufgehört und glühte auch nicht mehr. In der Tat sah es aus wie ein ganz gewöhnliches, wenn auch sehr wertvolles Schmuckstück.
    Hole ergriff es und betrachtete es von allen Seiten. Kopfschüttelnd gab er es Luzia zurück. «Bringt diesen Mann in den Ochsenturm. Er soll noch heute befragt werden. Peinlich, wenn es sein muss. Ich verständige derweil den Vogt.» Er machte eine ausholende Geste. «Gehen wir.»

[zur Inhaltsübersicht]
25. Kapitel
    L uzia saß an ihrem Pult und studierte zum wiederholten Mal die Geschichte des Zöllners Zachäus. Gerade heute hatte Vater Werner sie in der Sonntagsmesse erzählt – allerdings wurde die Legende in ihrem Buch ganz anders wiedergegeben als von ihm. Angestrengt dachte sie jetzt darüber nach, was der Grund dafür sein mochte. Als sie Elisabeth und Bruder Georg am Donnerstag nach dem glücklichen Ausgang des Prozesses von ihrer Entdeckung in dem Buch berichtet hatte, war die Überraschung natürlich groß gewesen. Bruder Georg hatte das schwere, in Leder gebundene Werk sogleich an sich genommen und untersucht. Auch er war nun überzeugt, dass es sich bei dem Kreuz, das in der Geschichte beschrieben wurde, um ihr silbernes Kruzifix handelte. Den letzten Zweifel nahm die farbenprächtige Illumination, die das Kreuz samt Rahmen und Kette in der Hand des Zöllners darstellte.
    Die Ereignisse, die sich vor zwei Tagen im Gefängnis zugetragen hatten, bestätigten zudem, was sie aus der
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