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Die geschützten Männer

Die geschützten Männer

Titel: Die geschützten Männer
Autoren: R Merle
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macht und daß Mrs. White Stuß macht! Weil sie, wohlgemerkt, eine Frau ist!
     Weil sie es nicht versteht, ein Gerät zu bedienen! Dieses Mal sind sich alle drei einig, man sieht es ihnen an; auch die erhabene
     Nachsicht, mit der sie hinnehmen, daß weibliche Unfähigkeit den Verlauf von bedeutsamen Staatsangelegenheiten unterbricht,
     liest man ihnen vom Gesicht ab. Müßten sie nicht ihre Würde wahren, würden sie aufstehen, um dieses verdammte Tonbandgerät
     mit einem kräftigen Fußtritt wieder in Gang zu setzen.
    Mrs. White spürt in diesem Augenblick, was die Herren denken. Dessen bin ich sicher. Sie weiß, was nicht in Ordnung ist, doch
     läßt sie sich von deren Meinung so sehr beeinflussen, daß sie wirklich Stuß fabriziert, wie ich von meinem Platz aus sehen
     kann. Hochrot und mit Tränen in den Augen, muß sie sich sehr zusammennehmen, um ihren Fehler zu korrigieren, nicht ohne mit
     zittrigen Fingern doppelt soviel Zeit zu verwenden, als nötig ist.
    »Ich bin bereit«, sagt sie schließlich und richtet sich mit puterrotem Gesicht und feuchten Augen auf.
    Kurze Pause. Meine Gegenüber konzentrieren sich von neuem auf mich. Da alles wieder läuft, existiert Mrs. White nicht mehr.
    »Ich sprach vom Alter der Kranken«, fahre ich fort. »Dazu möchte ich auf eine Sache aufmerksam machen. In den neunundzwanzig |14| Städten, die wir in die Untersuchung einbezogen hatten, liegen die Fälle in einer Streuung zwischen zwölf und fünfundsiebzig
     Jahren.« Das sagt meinen Zuhörern gar nichts, außer Cresby natürlich, weil er den Bericht gelesen hat. »Ich möchte erläutern,
     was an dieser Beobachtung erstaunlich ist. Aus unserer Erhebung geht in der Tat hervor, daß sich unter den Fällen, die in
     den USA oder im Ausland registriert wurden, kein einziger Junge im vorpubertären Alter befindet. Andererseits haben wir sehr
     wenig Fälle über siebzig, und dabei handelt es sich um rüstige Greise, die sich ein aktives sexuelles Leben bewahrt haben.«
    In Skeltons langem, abgezehrtem Gesicht sehe ich einen höhnischen Funken aufblitzen, und er sagt mit schwacher, aber giftsprühender
     Stimme: »Dr. Martinelli, Sie scheinen zwischen der Enzephalitis 16 und der Sexualität eine Verbindung herstellen zu wollen.
     Sind Sie nicht im Begriff, sich nach der Mode zu richten?«
    Sein Ton ist so aggressiv, daß mich die Lust überkommt, mit einer deftigen Unverschämtheit zu erwidern. Zum Beispiel: wenn
     Sexualität eine Mode ist, haben Sie sich wohl nicht sehr danach gerichtet. Statt dessen lege ich meine Handflächen auf den
     Tisch und sage mit gleichförmiger Stimme:
    »Die Verbindung zwischen der Spermatogenese und Krankheiten, die auf den ersten Blick nichts mit dem Genitalsystem zu tun
     haben, ist nicht zu leugnen. Ihnen ist ebenso wie mir bekannt, daß – nach einer Untersuchung von Wissenschaftlern des medizinischen
     Zentrums Syrakus – Männer, die sich einer Vasektomie unterzogen, um ihre sexuellen Beziehungen unfruchtbar zu machen, für
     Arthritis, Gelenkrheumatismus und multiple Sklerose besonders anfällig sind.«
    »Die Untersuchung von Syrakus ist mir bekannt«, sagt Skelton. »Aber in Anbetracht der geringen Anzahl untersuchter Fälle sieht
     das Forscherteam seine Schlußfolgerungen nicht als gesichert an.«
    »Ich auch nicht«, versetze ich trocken.
    »Alles in allem kommt es wenig auf die Art der Verbindung zwischen den beiden Phänomenen an«, sagt Matthews mit einer Sachlichkeit,
     für die ich ihm dankbar bin. »Tatsachen bleiben Tatsachen. Dr. Martinelli, Sie sagten, daß sich nach Ihren Statistiken kein
     einziger Junge im vorpubertären Alter unter |15| den Opfern der Enzephalitis 16 befindet. Würden Sie das gleiche von den Mädchen sagen?«
    In diesem Augenblick wendet sich Cresby Matthews zu und stößt mit einer mich verwirrenden Arroganz ein kurzes höhnisches Lachen
     hervor. Er hätte diese Frage ganz bestimmt nicht gestellt: er hat meinen Bericht gelesen. Ich blicke ihn an. Er frohlockt.
     Dieser Bursche ist ein Imperialist. Ihm liegt nicht nur daran, Bescheid zu wissen. Er will siegen und verachten.
    Eine Reaktion, die wenig mit der Ernsthaftigkeit des Problems zu tun hat. Schließlich sind wir nicht hier, um Matthews zu
     kontern, sondern um ihn dahin zu bringen, die notwendigen Maßnahmen zu ergreifen.
    Ich sehe Matthews an und sage in jenem höflichen Ton, an dem er es mir gegenüber so sehr hat fehlen lassen: »Ich bin froh,
     daß Sie diesen Punkt hervorheben. Es ist
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