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Die Geschichte von Zeb: Roman (German Edition)

Die Geschichte von Zeb: Roman (German Edition)

Titel: Die Geschichte von Zeb: Roman (German Edition)
Autoren: Margaret Atwood
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einen guten Henker abgeben, denkt Toby.
    »Ist doch egal, wie wir sie nennen«, sagt Nashorn. »Solange wir sie nicht Menschen nennen.«
    Ein Etikett zu finden ist schwierig, denkt Toby: Drei Runden in der einst berüchtigten Painball-Arena haben ihnen alle Attribute entzogen und sie jedweder Sprache bereinigt. Dreifache Painballer sind längst bekannt als entmenschte Wesen.
    »Ich bin für alles oben Genannte«, sagt Zeb. »Jetzt mal weiter im Text.«
    Weiße Segge setzt zu einem halbherzigen Plädoyer um Gnade an. »Wir sollten nicht urteilen«, sagt sie. »Bestimmt ist ihre Boshaftigkeit nur das Resultat dessen, was ihnen früher im Leben von anderen angetan wurde. Und in Anbetracht der Plastizität des Gehirns und in Anbetracht der Prägung ihres Verhaltens durch schlimme Erfahrungen können wir doch nicht wissen, ob sie bei den Taten überhaupt Herr ihrer Sinne waren, oder?«
    »Das kann ja wohl nicht dein Ernst sein!«, sagt Shackleton. »Die haben die Nieren meines kleinen Bruders gegessen! Die haben ihn abgeschlachtet wie ein Mo’Hairschaf! Ich würde denen am liebsten jeden Zahn einzeln rausreißen. Vom Arschloch aus«, fügt er vielleicht überflüssigerweise hinzu.
    »Langsam, langsam«, sagt Zeb. »Kommt mal wieder runter. Wir alle haben Grund zur Empörung. Wenn auch einige mehr als andere.« Er sieht älter aus, denkt Toby. Älter und grimmiger. Adam zu finden und ihn gleich wieder zu verlieren, hat ihm zugesetzt. Wir sind alle in Trauer: sogar die Organschweine. Sie lassen die Schwänze hängen, ihre Ohren sind schlaff; sie stupsen einander auf tröstliche Weise an.
    »Wir sollten nicht streiten über etwas, was eine rein philosophische und praktische Entscheidung sein sollte«, sagt Elfenbeinspecht. »Die Frage ist, haben wir die Möglichkeiten für einen Justizvollzug oder andererseits die theoretische Legitimation, um …«
    »Das ist jetzt nicht der Moment für Haarspaltereien«, sagt Zeb.
    »Ein Leben zu nehmen, egal unter welchen Umständen, ist etwas Verwerfliches«, sagt Weiße Segge. »Wir sollten nicht unsere moralischen Standards vor die Hunde gehen lassen, nur weil …«
    »Nur weil der Großteil der Menschheit ausgerottet wurde und die wenigen Verbliebenen kaum genug Sonnenenergie für ne Glühlampe zusammenkriegen?«, sagt Shackleton. »Also wollt ihr warten, bis die beiden Pestbeulen euch kaltmachen?«
    »Ich weiß nicht, warum du so feindselig bist«, sagt Weiße Segge. »Adam Eins hätte für Milde plädiert.«
    »Vielleicht hätte er sich ja geirrt«, sagt Amanda. »Du warst nicht dabei, du weißt nicht, was die mit uns gemacht haben. Mit mir und Ren. Du weißt nicht, wie die ticken.«
    »Wobei, da wir nur noch so wenige echte Menschen sind«, sagt Elfenbeinspecht, »sollten wir vielleicht von unserer zunehmend knappen menschlichen DNA nicht noch mehr verschwenden. Selbst wenn die betreffenden Individuen eliminiert werden, sollten ihre … ihre, sozusagen, regenerativen Körperflüssigkeiten abgezweigt werden, um genetische Vielfalt zu gewährleisten. Ein aus Inzucht resultierender Genpool muss vermieden werden.«
    »Dann vermeide du mal schön«, sagt Swift-Fuchs. »Also ich persönlich könnte kotzen bei dem Gedanken, mit diesen beiden Eiterherden ins Bett zu steigen, nur um was von ihrer ranzigen DNA abzukriegen.«
    »Du würdest ja in dem Sinne nicht mit ihnen ins Bett steigen müssen«, sagt Elfenbeinspecht. »Wir könnten eine Bratenspritze verwenden.«
    »Die kannst du dir sonst wohin schieben«, sagt Swift-Fuchs schroff. »Ständig kriegen Frauen von Männern zu hören, was sie mit ihren Uterussen zu machen haben. Verzeihung, ihren Uteri.«
    »Lieber würd ich mir die Pulsadern aufschneiden, als jemals wieder ihre verdammten Körperflüssigkeiten an mich ranzulassen«, sagt Amanda. »Ist doch so schon schlimm genug. Woher soll ich wissen, ob mich nicht einer von denen geschwängert hat?«
    »Außerdem würde ein Kind mit so verrotteten Genen ein Monster werden«, sagt Ren. »Eine Mutter könnte es gar nicht lieben. Oh, sorry«, sagt sie zu Amanda.
    »Schon okay«, sagt Amanda. »Wenn’s von denen ist, schenk ich’s einfach Weiße Segge, dann kann sie’s lieben. Oder die Schweine können’s fressen, die freuen sich.«
    »Wir könnten’s doch mit Rehabilitierung probieren«, sagt Weiße Segge gelassen. »Sie in die Gemeinschaft eingliedern, sie nachts an einem sicheren Ort verwahren, sie mithelfen lassen. Manchmal, wenn Leute das Gefühl haben, einen Beitrag zu leisten,
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