Die Geschichte von Liebe und Sex
(anstelle des früheren Sparbuchs) und dem aufgeregten Verfolgen der Aktienmärkte der Illusion hingeben, auch an Weltmarkt-Gewinnen teilhaben zu können, bedeutet dies zuerst: Flexibel sein und bleiben. Sich jederzeit umschulen zu lassen, wenn |195| der einmal erlernte Beruf nicht mehr gefragt ist (jedenfalls nicht zu diesem Zeitpunkt und in diesem Land), oder immer wieder die Koffer zu packen und umzuziehen. Dieser Trend geht in den Industrieländern durch alle Bevölkerungsschichten und gilt für Frauen wie Männer – in Deutschland ist heute selbst jede vierte Akademikerehe eine Wochenendbeziehung.
Die meisten Entwicklungsländer haben (bis auf wenige selbstbewusste Ausnahmen in Asien und dort, wo sie sich gemeinsam organisieren, wie seit 2002 in der Afrikanischen Union oder seit kurzem in Lateinamerika) bei diesem Konkurrenzkampf kaum eine Chance. Schlimmer noch, sie werden schlicht »abgeschrieben«. Falls sie Rohstoffe haben, werden ihnen die Preise dafür von der WTO weitgehend diktiert. Sollten sie zufällig über Naturschönheiten oder Wildparks verfügen, so sind die Global Players (in diesem Fall die internationale Tourismusbranche) durchaus zu Zugeständnissen bereit – in der Regel unter der Bedingung, dass die entsprechenden Resorts und Lodges ein »Top-Niveau« in Preisen und Luxus haben und sicher abgezäunt sind zur einheimischen Bevölkerung, die ansonsten (außer zum Putzen, Kochen und zur Gartenarbeit) gerade noch als Folkloregruppe oder Tour-Guides gesehen ist.
Die Schere zwischen Arm und Reich: Wie lange wird sie immer weiter auseinanderklaffen können? Von den geschätzten neun Milliarden Menschen im Jahr 2050 werden – wenn der heutige Kurs der Globalisierung beibehalten wird – nur noch 1,2 Milliarden in den reichen Ländern leben und rund 7,8 Milliarden in den armen. Wie lange werden Grenzbestimmungen, Stacheldraht und »Kriegseinsätze gegen Terroristen« noch ausreichen, um die Fluchtbewegungen und Unruhen verzweifelter Massen oder das apokalyptische Durchdrehen von fundamentalistischen »Rettern der Armen« zu verhindern?
Die vielen Bilder von Not und Elend in der Welt – sie können uns hart und verschlossen machen und uns veranlassen, das eigene kleine Glück umso aggressiver zu verteidigen. Sie können uns aber auch darin ermutigen, Ursachen zu verstehen und friedliche Lösungsversuche zu unterstützen, die sich darum bemühen, gerecht zu sein und rücksichtsvoll miteinander und mit der Natur umzugehen, so unvollkommen sie derzeit noch sein mögen. Auch die militärisch-gewaltsamen Lösungsversuche sind bislang alles andere als erfolgreich.
|196| Diese Bilder können uns außerdem darin bestärken, nicht zu resignieren, sondern anzufangen, angesichts von scheinbar so viel Sinnlosigkeit in der Welt, an einer einzigen Stelle etwas Sinnvolles zu tun. Jemanden zu wärmen. Zuzuhören. Den Mund aufzumachen, wenn andere lieber schweigen und wegschauen.
Es gibt keine Liebe, global wie zwischen dir und mir, wenn nicht auch Einfühlung in die Nöte und Freuden anderer möglich ist.
Es gibt keine Liebe, ohne irgendwann auch Gemeinsamkeiten mit denen zu entdecken, die anfangs so ganz anders als du und ich erscheinen. Nanuk aus Grönland zum Beispiel oder Mercedes und ihre Großmutter aus Panama oder der alte Stefan aus Polen oder Maricella und Adolfo von den Philippinen.
Und der Sex? Der kann nur besser werden, je näher du bei dir selbst bist. Je weniger du eine Show für irgendjemand anderen machst, für wen auch immer.
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So der Schweizer UNO-Beauftragte Jean Ziegler, vergleiche auch sein Buch: Wie kommt der Hunger in die Welt?, München 2002.
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Nach Angaben der Deutschen Stiftung Weltbevölkerung lebten am 1. 1. 2007 auf unserer Erde genau 6 597.893 867 Menschen.
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In Deutsch: Verein für eine Besteuerung von Finanztransaktionen zum Wohl der Bürger. Siehe auch: ATTAC (Hg.): Die geheimen Spielregeln des Welthandels , Wien 2003.
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|197| Ausblick
Das erste Mal morgen? Morgen!
Heute bis …
Der Gott der Gänsehaut und des überraschenden Lächelns
Arundhati Roy, indische Schriftstellerin und Menschenrechtsaktivistin (* 1961) schreibt 1997: *
»Er konnte immer nur eine Sache auf einmal tun:
Wenn er sie berührte,
konnte er nicht mit ihr reden,
wenn er sie liebte,
konnte er nicht weggehen,
wenn er sprach,
konnte er nicht zuhören,
wenn er kämpfte,
konnte er nicht gewinnen …
|198| War es das?
Zwei Leben. Die Leben zweier Kinder.
Eine
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