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Die Genussformel: Kulinarische Physik (German Edition)

Die Genussformel: Kulinarische Physik (German Edition)

Titel: Die Genussformel: Kulinarische Physik (German Edition)
Autoren: Werner Gruber
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Geschmacksrichtungen auf einem Teller werden wir nur mehr ein Drittel des maximal möglichen Genusses wahrnehmen.
    Die Geschmacksrichtungen sind eines, aber was ist mit der Aromavielfalt? In einem großen Teil dieses Buches wurde erläutert, wie man den Lebensmitteln Geschmack verleihen kann. Das sollte man natürlich auch in der Genussformel berücksichtigen. Viele Aromen entstehen durch die Maillard-Reaktion. Wir würden in einer traurigen Welt leben, gäbe es keine Aromen, die durch die Maillard-Reaktion verursacht werden. Damit müssen wir die Temperatur der Speise, die zubereitet wurde, ebenfalls berücksichtigen. Erst ab 140 °C setzt die Maillard-Reaktion ein. Aber ab 180 °C beginnt das Lebensmittel, wenn es nicht ausgiebig gekühlt wurde, zum Beispiel mit dem Bestreichen von Butter, zu verkohlen. Also haben wir einen kritischen Bereich von 140 °C bis 180 °C, der für viele zusätzliche Aromen sorgt. Die Anzahl der Aromen, die bei der Maillard-Reaktion entstehen, sind in erster Näherung proportional zur Temperatur. Diesen Zusammenhang kann man durch eine Fermifunktion darstellen:
     

     
    Ist die Temperatur T kleiner als 140 °C, so ist A Maillard sehr klein. Bei höheren Temperaturen steigt die Anzahl der Aromen. Wir müssen allerdings berücksichtigen, dass es Speisen gibt, die auch ohne Maillard-Reaktion schmecken – jedoch mit weniger Aromen. Dies wird durch den Wert +0,5 präsentiert. Dieser Teil berücksichtigt noch nicht, dass man bei Temperaturen von über 180 °C aufgrund von Verkohlung abbrechen muss, und dass dies dann dem Genuss schaden würde. Also muss man obige Formel durch eine inverse Fermifunktion beschränken:
     

     
    Der Genuss einer Speise hängt aber auch vom Faktor f I ab. Persönliche Vorlieben müssen berücksichtigt werden. Ich persönlich mag gerne Ham and Eggs zum Frühstück. Leider entwickelte ich im Laufe der Zeit eine Allergie gegen einen Bestandteil von rohen Eiern. Der Mama-Faktor wäre hoch, die Zahl der Aromen wäre mit drei (Ei, Schinken und Brot) optimal, und durch die Maillard-Reaktion wäre auch dieser Wert groß. Trotzdem kann ich Ham and Eggs im klassischen Sinne nicht mehr essen. Der individuelle Genussfaktor ist hier f I = 0. Umgekehrt ist er bei Schweinsbraten mit Knödeln sehr hoch: f I = 2. Neutrale Speisen hätten keinen Einfluss auf den Genusswert, hier wäre f I = 1.
    Warum werden eigentlich in Lokalen das Wiener Schnitzel mit Kartoffelsalat oder Fleischlaibchen mit Kartoffelpüree angeboten und nicht umgekehrt? Ich habe noch nie auf einer Speisekarte ein Wiener Schnitzel mit Kartoffelpüree gefunden. Der Grund dürfte ganz einfach sein. Stellen Sie sich eine wunderbare Creme auf einem flaumigen Tortenboden vor. Sie nehmen sich ein Stückchen Torte, und es zergeht wie Butter auf der Zunge. Auch der nächste Bissen ist ein wahres Gedicht, aber auf einmal knirscht es, und Sie sind ganz verblüfft. Ein kleines Schokostückchen hat sich in die Creme verirrt. Natürlich ist Schokolade auch etwas Feines, aber das taktile Gefühl rechnet nicht damit. Die einzelnen Speisen auf einem Teller sollten ungefähr die gleiche Konsistenz besitzen. Der Saft zum Schweinsbraten dient hier ausschließlich einer Aromatisierung. Die aromatisierenden Beigaben, wie Senf, Saft oder Saucen, werden hier nicht berücksichtigt. Die Viskosität beziehungsweise die Konsistenz der einzelnen Beilagen und der Hauptspeise sollte ungefähr gleich groß sein.
    Dies kann durch folgenden Zusammenhang ausgedrückt werden:
     
    wobei die einzelnen k i ’s die Viskositäten der i-ten Beilage angeben
     
    Ein Wert von k i = 1 bedeutet, dass die Beilage knackig ist, während ein Wert von k i = 0 eher eine Flüssigkeit beschreibt.
    Für den Genuss ist es wichtig, dass sich auch Aromen nicht gegenseitig schlagen. So schätze ich Knoblauch und Zimt sehr, aber Zimt und Knoblauch zusammen stellen keinen Genuss dar. Betrachten wir der Einfachheit halber vier unterschiedliche Aromen:
     
 
 
Knoblauch
A 1
Schokolade
A 2
Zimt
A 3
Apfel
A4
Knoblauch
A 1

0,1
0,2
0,5
Schokolade
A 2
0,1

1,6
0,8
Zimt
A 3
0,2
1,6

2
Apfel
A 4
0,5
0,8
2

     
    Auch hier haben wir nur Werte von 0 bis 2, wobei Ai = 0 nicht besonders schmeckt, während Ai = 2 einen großen Genuss darstellt. Hier haben wir unterschiedliche Aromen und ihre Wechselwirkung auf den Geschmack dargestellt. So liefert die Kombination Knoblauch mit Schokolade nur einen geringen Wert, während sich Zimt mit Apfel sehr gut verträgt. Diese
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