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Die gelben Augen der Krokodile: Roman (German Edition)

Die gelben Augen der Krokodile: Roman (German Edition)

Titel: Die gelben Augen der Krokodile: Roman (German Edition)
Autoren: Katherine Pancol
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nehmen. Bald behauptest du noch, das Ganze sei deine Schuld!«
    »Immerhin habe ich ihn ja rausgeworfen. Ich mache mir Vorwürfe, Shirley. Ich hätte verständnisvoller sein müssen, toleranter …«
    »Du bringst alles durcheinander, Jo. Wenn es heute so weit gekommen
ist, dann deshalb, weil es so kommen musste … Weil es besser war, jetzt einen Schlussstrich zu ziehen, als zu warten, bis ihr euch gegenseitig nicht mehr ertragen könnt! Komm schon, reiß dich zusammen … Chin up! «
    Joséphine nickte, unfähig, ein Wort zu sagen.
    »Da sieh sich doch einer diese wunderbare Frau an: Sie ist halb tot vor Angst, weil sie von einem Mann verlassen wurde! Na komm, ein Kaffee, ein großer Riegel Schokolade, und gleich sieht die Welt wieder ganz anders aus.«
    »Das glaube ich nicht, Shirley. Ich habe solche Angst! Was soll nur aus uns werden? Ich habe noch nie allein gelebt. Noch nie! Ich schaffe das nicht. Und was ist mit den Mädchen? Ich muss sie ohne die Hilfe ihres Vaters großziehen … Dabei habe ich überhaupt keine richtige Autorität …«
    Shirley hielt in ihrer Bewegung inne, trat auf ihre Freundin zu, legte ihr die Hände auf die Schultern und zwang sie, zu ihr aufzusehen.
    »Jetzt sag mir ganz genau, wovor du Angst hast, Jo. Wenn man sich fürchtet, muss man seiner Angst ins Gesicht sehen und ihr einen Namen geben. Sonst zermalmt sie einen und reißt einen mit sich wie eine Sturmflut …«
    »Nein, nicht jetzt! Lass mich … Ich will nicht nachdenken.«
    »Doch, sag mir, was dir Angst macht …«
    »Hattest du mir nicht einen Kaffee und ein Stück Schokolade versprochen?«
    Shirley lächelte und blickte zur Cafetière.
    »Einverstanden … aber so leicht kommst du mir nicht davon.«
    »Shirley, wie groß bist du eigentlich?«
    »Ein Meter neunundsiebzig. Versuch nicht, das Thema zu wechseln … Möchtest du Arabica oder lieber Mosambik?«
    »Wie du willst … Ist mir egal.«
    Shirley nahm ein Päckchen Kaffee und eine hölzerne Mühle aus dem Schrank, füllte die Bohnen in die Mühle, setzte sich auf einen Hocker, klemmte die Kaffeemühle zwischen ihre langen Oberschenkel und begann mit einer gleichmäßigen Bewegung zu mahlen, ohne ihre Freundin dabei aus den Augen zu lassen. Sie sagte oft, Kaffeebohnen mit der Hand zu mahlen entwirre die Gedanken.
    »Du siehst so hübsch aus, wie du da sitzt, mit deiner Schürze und…«
    »Versuch nicht, dich mit Komplimenten rauszureden.«
    »Und ich finde mich selbst so hässlich.«
    »Aber das ist es doch nicht, was dir Angst macht, oder?«
    »Wer hat dir eigentlich beigebracht, so direkt zu sein? Deine Mutter?«
    »Das Leben … So vergeudet man weniger Zeit. Aber du schummelst immer noch … Du hörst nicht auf, mir auszuweichen.«
    Da schaute Joséphine zu Shirley auf, ballte die Fäuste zwischen ihren Schenkeln und begann zu reden. Sie redete, so schnell sie konnte, verhaspelte sich, setzte aufs Neue an, wiederholte immer wieder das Gleiche.
    »Ich habe Angst, ich habe vor allem Angst, ich bestehe nur noch aus Angst … Am liebsten würde ich einfach auf der Stelle sterben, dann brauchte ich mich um nichts mehr zu kümmern.«
    Shirley musterte sie ruhig, und ihr Blick forderte sie auf weiterzureden. Los, sagte er, los, sprich weiter, was ist es?
    »Ich habe Angst davor, es nicht zu schaffen, ich habe Angst davor, unter einer Brücke zu enden, ich habe Angst davor, aus meiner Wohnung geworfen zu werden, ich habe Angst davor, nie wieder zu lieben, ich habe Angst davor, meine Arbeit zu verlieren, ich habe Angst davor, nie wieder einen klaren Gedanken fassen zu können, ich habe Angst davor, älter zu werden, ich habe Angst davor zuzunehmen, ich habe Angst davor, allein zu sterben, ich habe Angst davor, nie wieder zu lachen, ich habe Angst vor Brustkrebs, ich habe Angst vor dem nächsten Tag …«
    Los, weiter, sagte Shirleys Blick, während sie immer weiter die Kurbel der Kaffeemühle drehte, los, sprich es aus, sag mir, was deine allergrößte Angst ist … Jene Angst, die dich lähmt, die dich daran hindert, zu wachsen, zu der wunderbaren Jo zu werden, die alles über das Mittelalter weiß, über die Kathedralen, die Lehnsherren und die Burgen, die Leibeigenen und die Kaufleute, die Damen und die Fräulein, die Schreiber und die Prälaten, die Hexen und die Scheiterhaufen, die Jo, die so wundervoll vom Mittelalter erzählt, dass ich mir manchmal wünsche, dorthin zurückkehren zu können … Ich spüre, dass etwas
fehlt, etwas schmerzt, etwas dich
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