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Die Gejagte

Die Gejagte

Titel: Die Gejagte
Autoren: Lisa J. Smith
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Gespür«, entgegnete Jenny und sah sie direkt an.
    »Und ich dachte immer, du wärst so ein süßes kleines Ding«, überlegte Michael laut. »So einfach, so ehrlich …«
    »Das bin ich auch – wenn die Leute mich fair behandeln. Wenn sie nicht meine Freunde töten. Wenn sie nicht ihre Welt zerstören. Ich habe mir gedacht: Wenn er die Regeln dieses Spiels gemacht hat und Tricks legal sind, dann spiele ich eben auf seine Art.«
    Audrey ließ nicht locker. »Und du hast wirklich niemals etwas für ihn empfunden? Das war alles nur Show?«

    »Nenn mich einfach Meryl Streep«, sagte Jenny.
    Sie hoffte, dass Audrey nicht weiter nachhaken würde, auch wenn sie ihre Frage nicht beantwortet hatte.
    »Wen schert das schon?«, fragte Michael. »Wir sind zu Hause. Wir haben es geschafft.« Er betrachtete das Sonnenlicht, das durch die gläserne Schiebetür fiel, den dahinter liegenden Garten der Thorntons und die pastellfarbenen Wände des Wohnzimmers. »Ich liebe jeden einzelnen dieser Körbe«, verkündete er. »Ich könnte diese Fliesen hier küssen. Ich könnte dich küssen, Audrey.«
    »Oh, wenn’s sein muss«, sagte Audrey und beugte sich einfach vor – ohne sich zu zieren oder viel Aufhebens um ihr Haar zu machen. Und Michael beugte sich zu ihr.
    Dee dagegen ließ Jenny nicht aus ihren nachtdunklen, ernsten Augen. »Was ist mit der Verlobung?«, fragte sie. »Mit dem Ring? Du bist ihm jetzt angeblich versprochen.«
    »Was soll damit sein?«, gab Jenny leise zurück. »Ich werde den Ring wegwerfen. Zusammen mit dem Rest dieses ganzen Mülls.«
    Mit einer einzigen Bewegung, bei der Zach jäh den Kopf hob, zerschmetterte sie das Papierhaus, schlug es platt und immer platter. Sie stopfte es in die weiße Schachtel, als packe sie einen bereits viel zu vollen Koffer. Dann griff sie nach den Spielkarten und drückte sie ebenfalls hinein.
    Als Nächstes nahm sie den Ring ab. Er ließ sich mühelos abstreifen, ohne an ihrem Finger haften zu bleiben. Die Inschrift würdigte sie keines Blickes.
    Sie ließ den Ring auf das Papier fallen.

    Dann legte sie die Papierpuppen des Kriechers und des Schleichers in die Schachtel. Als sie die dritte Puppe in die Hand nahm, hielt sie inne. Es war der Junge mit den schockierend blauen Augen.
    Die Augen schienen zu ihr aufzublicken, aber sie wusste, dass sie es nicht taten. Es war nur ein Stück Pappkarton, und das Original war weggesperrt unter einer Rune der Beherrschung, die, so hoffte Jenny, für immer halten würde.
    Sie hielt die Puppe des Schattenmanns immer noch in der Hand.
    Es war dein Spiel. Du hast uns gejagt. Du hast mir gesagt, ich solle eine Jägerin werden. Du hast nur nicht damit gerechnet, selbst der Gejagte zu sein.
    Wie würde diese Welt ohne Julian aussehen? Sicherer. Ruhiger. Aber irgendwie auch ärmer.
    Sie hatte den Schattenmann geschlagen, aber es fiel ihr seltsam schwer, ihn der Vergessenheit zu übergeben. Jenny verspürte einen Anflug von Bedauern darüber, dass etwas für immer verloren war.
    Sie legte die Puppe in die Schachtel und drückte den Deckel darauf.
    Unter Joeys Buntstiften lag eine kleine Rolle Klebeband. Jenny wickelte das Band immer und immer wieder um die aus allen Nähten platzende weiße Schachtel und versiegelte sie damit. Die anderen schauten schweigend zu.
    Als schließlich das Klebeband ausging, legte sie die Schachtel auf den Tisch und hockte sich auf die Fersen. Irgendwo in der Clique nahm ein Lächeln seinen Anfang
und wanderte von einem zum anderen. Nicht die Art von Lächeln, die man auf einer Party zeigte, sondern ein stilles Lächeln der Erleichterung und Freude. Sie hatten es geschafft. Sie hatten gewonnen. Sie hatten überlebt – die meisten von ihnen.
    »Was sagen wir über die Sache mit Summer?«, fragte Tom.
    »Wir sagen die Wahrheit«, antwortete Jenny.
    Audrey zog die Augenbrauen hoch. »Die wird uns niemand glauben!«
    »Ich weiß«, erwiderte Jenny. »Aber wir werden sie trotzdem sagen.«
    »Es wird alles gut«, meinte Dee. »Nach allem, was wir durchgemacht haben, können wir auch damit fertig werden. Solange wir alle zusammenhalten.«
    »Das tun wir«, sagte Jenny, und Tom nickte. Seit der zweiten Klasse – bis gestern Abend – war es anders herum gewesen.
    Audrey und Michael, die sich anscheinend gar nicht mehr voneinander trennen konnten, nickten ebenfalls beide. Genau wie Zach, der den anderen ausnahmsweise einmal Beachtung schenkte, statt in seiner eigenen kleinen Welt zu leben.
    Das Wissen, dass sein
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