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Die Geishas des Captain Fishby

Die Geishas des Captain Fishby

Titel: Die Geishas des Captain Fishby
Autoren: Vern Sneider
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stört.“
    „Aber er muß doch das Schiff steuern.“
    „Was für ein Schiff?“
    „Die Dschunke.“
    Der Oberst blickte Fisby groß an.
„Eine Dschunke?“
    „Ja, eine Dschunke. Van Druten hat es
nicht mehr befriedigt, den Offiziersklub zu leiten, obwohl er sogar vom Admiral
gelobt worden ist, weil er die Klubräume mit japanischen Matten, mit Bambus und
so weiter, so gemütlich eingerichtet hat. Er will nun einmal durchaus wieder
zur See fahren.“
    „Und was hat das mit der Dschunke zu
tun?“
    „Eines Tages ist er zu mir gekommen
und hat mir vorgeschlagen, einen Handel mit der chinesischen Küste anzufangen.
Und dann hat er eine alte Dschunke aufgetan und sie repariert.“
    „Er hat also tatsächlich das Schiff
wieder seetüchtig gemacht und fährt nun damit nach China ‘rüber?“
    „Ja. Wollen Sie die Dschunke sehen,
Herr Oberst?“
    „Wo liegt sie denn?“
    „Hier am Strand. Von drüben, von der
anderen Seite des Teehauses kann man sie sehen.“
    Sie gingen die Veranda hinunter, bogen
um eine Ecke — und sahen den Ozean vor sich. Die Dschunke, deren Segel eingezogen
waren, wiegte sich leicht tänzelnd auf den Wellen, und die großen blauen,
weißen und roten Drachen, die auf ihren Bug gemalt waren, leuchteten grell in
der Sonne.
    Der Oberst schüttelte den Kopf, als
sähe er eine Fata Morgana. „Sagen Sie, Fisby“, fragte er dann, „was
transportieren Sie denn damit nach China?“
    „Die Ziegenhaarpinsel, Herr Oberst.
Und die Tinte und die Tintenfässer aus polierten roten Steinen. Auf seiner
vorletzten Fahrt hat van Druten herausgefunden, daß die Kunst des Schreibens
die höchste der chinesischen Künste ist — deshalb haben wir auch so große
Nachfrage nach diesen Dingen. Außerdem hat er erfahren, daß dort drüben
Brennkegel sehr beliebt sind.“
    „Was?“
    „Brennkegel. Die benutzen sie als
Heilmittel. Sie werden bei Gicht oder Rheumatismus auf der Haut verbrannt, und
man macht sie aus getrockneten Beifußblättern, die wir ebenfalls liefern.
Außerdem besteht noch große Nachfrage nach Lackarbeiten, nach Bambuskäfigen für
Heimchen, nach Haifischflossen, Fischklößen, nach Sojasauce und Indigofarbe.“
    „Tatsächlich? Und was bekommen Sie
dafür wieder?“
    „Jasmin-,
Gardenia- und Oolong-Tee. Oolong
ist ein fermentierter grüner Tee, den die Bevölkerung hier sehr schätzt. Dann bringt
van Druten noch Zitronenblüten, Ginsengwurzeln und hoffentlich auch Reis mit.“
    „Wozu denn Reis? Der nimmt doch nur
unnütz Laderaum weg.“
    „Aber wir brauchen ihn wirklich sehr
dringend, Herr Oberst, nicht nur als wichtiges Nahrungsmittel. So muß Oshiro
beispielsweise Reis haben, wenn er für einen seiner alten Freunde zur
Geburtstagsfeier ein Festessen veranstalten will. Und auch zur Bereitung des
süßen Weins, den man zum Fest der Himmelfahrt des Hausgottes anbietet, wird er
gebraucht.“
    „Aber warum holen Sie ihn erst
umständlich aus China, wenn ich ein ganzes Lager voller Reis im Hauptquartier
habe?“ knurrte der Oberst und fuhr dann freundlicher fort: „Und was benötigen
Sie sonst noch?“
    „Sesamsamen und Perillasamen, aus
denen wir Backöl gewinnen.“
    „Sesamsamen und Perillasamen — so was
gibt’s?“
    „Ja, Herr Oberst. Aber um noch einmal
auf den Reis zurückzukommen: wenn Sie mir ein paar Wagenladungen davon
überlassen könnten, brauchte ich ihn nicht erst aus China zu holen.“
    Doch der Oberst hörte nur noch mit halbem
Ohre hin, weil ihn der Anblick der Dschunke mit den aufgemalten bunten Drachen
wieder gefangennahm. „Sagen Sie, Fisby, schmuggeln Sie eigentlich?“ fragte er
plötzlich, wie aus einem Traum erwachend.
    „Aber Herr Oberst“, entgegnete Fisby
entsetzt. „Van Druten kommt aus einer der ersten und ältesten Familien
Neuenglands. Ich bin fest davon überzeugt, daß ihm so etwas nie in den Sinn
käme.“
    „Nein?“ Der Oberst fuhr sich mit der
Hand durch sein widerspenstiges graues Haar. Kerzengerade stand er da in seiner
ganzen Größe, aber Fisby merkte, daß er über irgend etwas enttäuscht war.
„Unter welcher Flagge segeln Sie?“ fragte er nach einer Weile.
    „Ich weiß es nicht, Herr Oberst. Aber
van Druten kommt an den Zerstörern, die vor der ostchinesischen Küste liegen,
immer glatt vorbei. Auf seiner letzten Fahrt hat er einem von ihnen Signale
gegeben und gefragt, ob sie ihn durchsuchen wollten. Aber da haben sie
zurücksignalisiert: ,Der Krieg ist zu Ende: mach deine Luken dicht und hüte
dich vor Hurrikanen.“
    „Ja,
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