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Die Geisha - Memoirs of a Geisha

Titel: Die Geisha - Memoirs of a Geisha
Autoren: Arthur Golden
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an den unter Geishas weitverbreiteten Brauch hielt, ihren Kunden Beinamen zu geben. Der Leser, dem eine Person wie Herr Schneegeriesel begegnet – dessen Spitzname von seinen Kopfschuppen herrührt – und der glaubt, Sayuri wolle nur unterhalten, mißversteht möglicherweise ihre wahre Absicht.
    Als ich Sayuri um Erlaubnis bat, einen Kassettenrecorder zu benutzen, verstand ich das anfangs nur als Schutz gegen eventuelle Übertragungsfehler seitens der Sekretärin. Seit ihrem Tod im vergangenen Jahr frage ich mich allerdings, ob ich dafür nicht auch noch einen anderen Grund gehabt hatte, ob ich nicht ebenfalls ihre Stimme, die eine Ausdrucksfähigkeit besaß, wie ich sie kaum jemals erlebt habe, hatte konservieren wollen. Gewöhnlich sprach sie in sanftem Ton, wie man es von einer Frau, die es sich zum Beruf gemacht hat, Männer zu unterhalten, vermutlich erwarten kann. Doch wenn sie eine Szene für mich zum Leben erwecken wollte, verstand sie es, mir das Gefühl zu vermitteln, es befänden sich sechs bis acht Personen im Zimmer. Manchmal spiele ich abends in meinem Arbeitszimmer noch immer die Kassetten ab, und es fällt mir sehr schwer zu glauben, daß sie nicht mehr am Leben ist.
    Jakob Haarhuis
    Arnold Rusoff
    Professor of Japanese History
    New York University

1. KAPITEL
    Mal angenommen, Sie und ich säßen in einem stillen Raum mit Blick auf einen Garten, tränken grünen Tee, plauderten über lang vergangene Zeiten, und ich sagte zu Ihnen: »Der Nachmittag, an dem ich den-und-den kennenlernte… das war der beste Nachmittag in meinem Leben, und zugleich der schlimmste.« Vermutlich würden Sie Ihre Teetasse absetzen und fragen: »Also, was denn nun? War es der beste oder der schlimmste? Beides auf einmal ist ja wohl kaum möglich!« Normalerweise hätte ich dann über mich selbst lachen und Ihnen beipflichten müssen. Doch der Nachmittag, an dem ich Herrn Tanaka Ichiro kennenlernte, war tatsächlich der beste und zugleich der schlimmste meines Lebens. Er wirkte so faszinierend auf mich, und sogar der Fischgeruch an seinen Händen kam mir wie Parfüm vor. Hätte ich ihn nicht kennengelernt, wäre ich bestimmt keine Geisha geworden.
    Es war mir nicht von Geburt bestimmt, Geisha in Kyoto zu werden. Nicht einmal geboren bin ich in Kyoto. Ich bin die Tochter eines Fischers aus einem Dorf namens Yoroido am Japanischen Meer. In meinem ganzen Leben habe ich nicht mal einer Handvoll Menschen irgend etwas von Yoroido erzählt, oder von dem Haus, in dem ich aufgewachsen bin, oder von meinen Eltern, oder von meiner älteren Schwester, und ganz gewiß nicht davon, wie ich Geisha wurde und wie es war, eine zu sein. Die meisten Leute würden die Vorstellung vorziehen, daß meine Mutter und meine Großmutter Geishas gewesen wären, daß ich mit dem Tanztraining begann, als ich kaum abgestillt worden war, und so weiter. Vor vielen Jahren schenkte ich einmal einem Mann Sake ein, als dieser ganz nebenbei erwähnte, er sei erst in der vorangegangenen Woche in Yoroido gewesen. Nun ja, ich kam mir vor wie ein Vogel, der einen ganzen Ozean überflogen hat, um auf der anderen Seite ein Wesen zu treffen, das sein Nest kennt. Ich war so erschrocken, daß ich unwillkürlich sagte:
    »Yoroido! Aber da bin ich ja aufgewachsen!«
    Der arme Mann! Sein Gesicht machte eine ganze Skala von Verwandlungen durch. Er gab sich die größte Mühe zu lächeln, doch es gelang ihm nicht besonders gut, weil er den Schock nicht aus seiner Miene verbannen konnte.
    »Yoroido?« fragte er. »Das kann doch nicht dein Ernst sein!«
    Ich hatte mir schon lange ein stereotypes Lächeln angewöhnt, das ich als mein »No-Lächeln« bezeichne, weil es einer No-Maske ähnelt, deren Gesichtszüge zu Eis erstarrt sind. Der Vorteil dieses Lächelns ist, daß die Männer hineinlesen können, was sie wollen – Sie können sich sicher vorstellen, welch gute Dienste es mir schon geleistet hat. Auch in jenem Moment entschloß ich mich, darauf zurückzugreifen, und es funktionierte natürlich. Er stieß den Atem aus, kippte die Tasse Sake, die ich ihm eingeschenkt hatte, und brach in ein enormes Gelächter aus, das wohl, wie ich meinte, seiner Erleichterung entsprang.
    »Allein schon die Vorstellung!« keuchte er in einem weiteren Lachanfall. »Du – in einem Kaff wie Yoroido aufgewachsen! Das wäre, als wollte man in einem Nachttopf Tee aufbrühen!« Nachdem er abermals gelacht hatte, sagte er zu mir: »Deswegen macht es so großen Spaß, mit dir zusammenzusein,
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