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Die geheimnißvolle Insel

Die geheimnißvolle Insel

Titel: Die geheimnißvolle Insel
Autoren: Jules Verne
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können.
    Um zwei Uhr schwebte das Luftschiff kaum noch vierhundert Fuß über den Wellen.
    Da erschallte eine Stimme, die eines Mannes, dessen Herz keine Furcht kannte; ihr antworteten nicht minder entschlossene Stimmen:
    »Ist Alles ausgeworfen?
    – Nein! Noch sind 10,000 Francs in Gold hier.«
    Sofort fiel ein schwerer Sack in’s Meer.
    »Steigt der Ballon?
    – Ein wenig, er wird bald genug wieder sinken.
    – Was können wir weiter über Bord werfen?
    – Nichts!
    – Doch! – Die Gondel selbst!
    – Schnell Alle in die Stricke und die Gondel in’s Meer!«
    In der That lag hierin das äußerste Mittel, den Aerostaten zu entlasten.
    Die Stricke zwischen der Gondel und dem Ring wurden durchschnitten, und noch einmal schoß der Ballon zu einer Höhe von 2000 Fuß empor
    Die fünf Passagiere hingen in den Schnüren oberhalb des Ringes und hielten sich an den Netzmaschen über der entsetzlichen Tiefe.
    Das so empfindliche Bestreben eines Luftschiffes nach der Gleichgewichtslage ist bekannt, ebenso wie die Erfahrung, daß man nur den leichtesten Gegenstand auszuwerfen braucht, um eine Bewegung in verticalem Sinne hervorzurufen. Ein solcher in der Luft schwimmender Apparat stellt gewissermaßen eine mathematisch richtige Wage dar. Es leuchtet also ein, daß seine plötzliche Entlastung von einem beträchtlichen Gewichte ihn weit und schnell emportreiben muß. Derselbe Fall trat eben jetzt ein.
    Nach einigem Auf-und Abschwanken in den höheren Luftschichten aber begann der Ballon wieder zu fallen, da der Riß, welcher dem Gase den Austritt gestattete, nicht zu schließen war.
    Die Passagiere hatten gethan, was in ihrer Macht stand; nun gab es kein Mittel weiter, sie zu retten, und sie hofften nur noch auf die Hilfe der Vorsehung.
    Um vier Uhr strich der Ballon wiederum nur vierhundert Fuß über dem Wasser hin.
    Da erschallte ein lautes Gebell. In Begleitung der Passagiere befand sich auch ein Hund, der neben seinem Herrn in den Maschen des Netzes hing.
    »Top muß Etwas gesehen haben!« rief einer der Passagiere. Bald darauf ertönte auch eine markige Stimme:
    »Land! Land!«
    Vom Anbruch des Morgens an hatte der Ballon, den der Wind unausgesetzt nach Südwesten trieb, eine gewaltige nach Hunderten von Meilen zu berechnende Entfernung durchmessen, als jetzt in seiner Fluglinie ein ziemlich hoch ansteigendes Land in Sicht kam.
    Noch befand es sich freilich gegen dreißig Meilen unter dem Winde, und einer guten Stunde bedurfte es wohl, dasselbe zu erreichen, vorausgesetzt, daß der Ballon nicht aus der Richtung kam. Eine Stunde! Würde das Luftschiff sich nicht vor Ablauf dieser Zeit vollkommen entleert und seine Tragkraft eingebüßt haben?
    Das war die schreckliche Frage. Deutlich sahen die Passagiere den Punkt, den es um jeden Preis zu erreichen galt. Ob jener zu einer Insel oder zu einem Continente gehörte, sie wußten es nicht, ja, sie kannten kaum die Richtung, in welcher der Orkan sie verschlagen hatte. Ob jenes Stück Erde aber bewohnt war oder nicht, ob es ein gastliches Land oder nicht, – sie mußten es zu erreichen suchen!
    Seit vier Uhr konnte sich Niemand mehr darüber täuschen, daß der Ballon keine Tragkraft mehr hatte. Er streifte schon dann und wann die Oberfläche des Meeres. Mehrmals beleckten die Kämme der enormen Wellen das untere Strickwerk, vergrößerten dadurch sein ursprüngliches Gewicht, und nur zur Hälfte hielt sich der Ballon noch aufrecht, wie ein flügellahm geschossener Vogel.
    Eine halbe Stunde später winkte das rettende Land in der Entfernung von nur einer Meile, doch jetzt barg der erschöpfte, schlaffe, lang gestreckte und tiefe Falten schlagende Ballon blos noch in seinen obersten Theilen etwas Gas. Auch die in den Schnüren hängenden Passagiere belasteten ihn zu sehr, und bald tauchten diese halb in’s Meer und wurden von den wüthenden Wellen geschüttelt. Die Hülle des Luftschiffes bildete eine den Wind fangende Tasche, und trieb das Ganze wie ein Fahrzeug dahin. Vielleicht erreichte es auf diese Weise die Küste!
    Nur zwei Kabellängen von dieser entfernt ertönte plötzlich ein gleichzeitiger Aufschrei aus vier Kehlen. Der Ballon, von dem man ein wiederholtes Erheben nicht vermuthete, machte einen unerwarteten Sprung, nachdem ihn ein mächtiger Wasserberg getroffen hatte. So als ob er plötzlich weiter entlastet worden sei, schnellte er bis 1500 Fuß in die Höhe und begegnete dabei einer Art Luftwirbel, der ihn statt nach der Küste nur auf derselben Stelle
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