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Die geheimnißvolle Insel

Die geheimnißvolle Insel

Titel: Die geheimnißvolle Insel
Autoren: Jules Verne
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Ungestüm des Wetters und dabei die Abreise zur Unmöglichkeit.
    An demselben Tage wurde der Ingenieur Cyrus Smith auf der Straße von einem ihm unbekannten Manne angesprochen. Es war das ein Seemann, Namens Pencroff, von beiläufig fünfunddreißig bis vierzig Jahren, kräftiger Statur, sonnenverbranntem Aussehen, mit lebhaften, häufig blinzelnden Augen, aber im Ganzen einnehmendem Gesicht. Dieser Pencroff stammte aus den Nordstaaten, hatte alle Meere der Erde befahren und an Abenteuern Alles bestanden, was einem zweibeinigen Geschöpfe ohne Flügel überhaupt nur widerfahren konnte. Es bedarf nicht der Erwähnung, daß sein unternehmender Charakter ihn Alles wagen und vor gar nichts zurückschrecken ließ. Pencroff hatte sich anfangs dieses Jahres in Geschäften nach Richmond begeben, wobei ihn ein junger Mensch von fünfzehn Jahren, Harbert Brown aus New-Jersey, der Sohn seines Kapitäns, eine Waise, die er wie sein eigenes Kind liebte, begleitete. Verhindert, die Stadt vor dem Anfange der Belagerung wieder zu verlassen, befand er sich zum größten Mißvergnügen jetzt ebenfalls in derselben eingeschlossen und brütete nur über dem einen Gedanken, aus ihr auf irgend eine Weise zu entfliehen. Er kannte den Ingenieur Cyrus Smith dem Namen nach und wußte, mit welcher Ungeduld dieser Mann an seinen Fesseln nagte. An erwähntem Tage traf er auf ihn und zögerte nicht, denselben ohne jede Einleitung mit den Worten anzusprechen:
    »Herr Smith, sind Sie Richmond noch nicht satt?«
    Der Ingenieur maß mit dem Blicke den Mann, der ihn so anredete und halblaut hinzufügte:
    »Herr Smith, wollen Sie fliehen?
    – Und wie das? …« antwortete lebhaft der Ingenieur, dem diese Antwort fast wider Willen entfuhr, denn er hatte sich über den Unbekannten, der das Wort an ihn richtete, noch nicht vergewissert.
    Nachdem er aber mit scharfem Blicke die Vertrauen erweckende Erscheinung des Seemanns gemustert, konnte er nicht mehr daran zweifeln, einen ehrlichen Mann vor sich zu haben.
    »Wer sind Sie?« fragte er kurz.
    Pencroff gab sich zu erkennen.
    »Gut, entgegnete Cyrus Smith, aber welches Mittel zu entfliehen schlagen Sie mir vor?
    – Dort, jenen Faullenzer von Ballon, den man unthätig angebunden hält, und der mir aussieht, als warte er ganz allein auf uns!« …
    Der Seemann hatte gar nicht nöthig, den Satz zu vollenden. Der Ingenieur verstand ihn aus dem ersten Worte, ergriff ihn am Arme und zog ihn mit sich nach Hause.
    Dort entwickelte der Seemann sein wirklich sehr einfaches Project, bei dem man eben höchstens sein Leben riskirte. Der Orkan tobte zwar gerade in tollster Heftigkeit, doch mußte ein geschickter und kühner Ingenieur, wie Cyrus Smith, ein Luftschiff wohl zu regieren vermögen.
    Hätte Pencroff damit selbst Bescheid gewußt, er würde keinen Augenblick gezögert haben, – es versteht sich, nicht ohne Harbert, abzufahren. Er hatte manchen anderen Sturm gesehen und pflegte einen solchen nicht so hoch anzuschlagen.
    Ohne ein Wort dazu zu sagen, hörte Cyrus Smith dem Seemann zu. Aber seine Augen leuchteten auf bei dieser sich darbietenden Gelegenheit, und er war nicht der Mann, sich eine solche entgehen zu lassen. Das Project erschien nur sehr gefahrvoll, aber doch ausführbar. In der Nacht konnte man wohl trotz der Wachen an den Ballon heran kommen, in die Gondel schlüpfen und die Seile kappen, die ihn fesselten. Gewiß lief man Gefahr, mit Kugeln begrüßt zu werden, auf der anderen Seite konnte der Versuch aber auch von Erfolg sein, und ohne diesen Sturm … Ja, ohne diesen Sturm wäre aber auch das Luftschiff schon längst aufgestiegen, und jetzt böte sich nicht die so lange ersehnte Gelegenheit zur Flucht.
    »Ich bin nicht allein, sagte da endlich Cyrus Smith.
    – Wie viel Personen gedächten Sie mitzunehmen? fragte der Seemann.
    – Zwei; meinen Freund Spilett und meinen Diener Nab.
    – Das wären also zusammen drei Personen, antwortete Pencroff, und mit Harbert und mir im Ganzen fünf. Nun, der Ballon sollte sechs Passagiere tragen …
    – Es ist gut; wir fahren ab!« schloß Cyrus Smith.
    Dieses »wir« galt auch mit für den Reporter, aber der Reporter war kein ängstlicher Mann, und sobald er von dem Vorhaben Kenntniß erhielt, stimmte er demselben bei, und erstaunte nur allein darüber, daß er auf eine so einfache Idee noch nicht schon selbst gekommen sei. Nab endlich folgte ja seinem Herrn, wohin dieser zu gehen beliebte.
    »Diesen Abend also, sagte Pencroff, gehen wir zu Fünf, wie aus
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