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Die Geheimnisse des Brückenorakels: Himmelsauge (German Edition)

Die Geheimnisse des Brückenorakels: Himmelsauge (German Edition)

Titel: Die Geheimnisse des Brückenorakels: Himmelsauge (German Edition)
Autoren: Melissa Fairchild
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gleichzeitig auch sehr beängstigend.
    Langsam öffnete sich das Fenster.
    Der ganze Raum erbebte, und von der hohen Decke rieselte Staub auf die Plattform hinab. Die Mauern glitten zurück und gaben einen weiten Blick über die Brücke und den Fluss frei. Die Fledermäuse kamen aus dem Turm herunter, umschwirrten Avis Kopf und verschwanden in der Nacht. Im nächsten Moment teilten sich die Gewitterwolken, so dass einige Sterne und ein riesiger Halbmond zu sehen waren.
    Avi fühlte ein Vibrieren im ganzen Körper, als wolle jede seiner Zellen sich aus der Verankerung lösen. Doch der Gedanke, dass er entzweigerissen werden könnte, löste keine Furcht in ihm aus. Plötzlich war er sich jeder Faser seines Körpers, jedes winzigen Nervenendes und jedes einzelnen Haars voll bewusst.
    Der Mond verschwamm. Kurz kamen zwei Monde in Sicht, von denen einer größer war als der andere, wie auf einem doppelbelichteten Foto. Avi musste sich abwenden, so blendend grell war das Licht.
    Auf dem Fluss lag eine Flotte von Kellens Barken. Ein anderes Schiff ragte vor ihnen auf. Es war groß, glänzte metallisch grau … und war zum Teil durchsichtig. Avi erkannte es als das Kriegsschiff, das sie auf dem Weg nach Greenwich passiert hatten. Damals in der Welt der Sterblichen.
    Die Barken fuhren durch das Kriegsschiff hindurch, als wäre es nicht vorhanden.
    Überall in der Stadt gingen die Lichter an. Verglichen mit den orangefarbenen Feuern, die das Feenreich beleuchteten, wirkten sie hell und kalt. Sie stiegen empor und bildeten rechteckige Muster, um die herum langsam hohe Gebäude entstanden. Phantomfahrzeuge erschienen auf der Brücke. Sie kamen Avi sehr vertraut vor: schwarze Taxis und Doppeldeckerbusse.
    Die Welt der Sterblichen setzte sich durch.
    Feenreich und Welt der Sterblichen wieder vereint, dachte er.
    Er wandte seine Aufmerksamkeit der Kapelle zu und betrachtete die Gesichter seiner Freunde.
    Hannah starrte in das blitzende weiße Licht des Orakels, das wie ein Wirbelwind mit ihrem Haar spielte und sich in dem silbernen Knopf in ihrer Nase und dem Ring in ihrer Lippe spiegelte. Noch nie hatte sie schöner ausgesehen. Und ängstlicher.
    Brucie klammerte sich noch immer an den Helm einer der Statuen. Avi hatte gar nicht gewusst, dass eine so kleine Elfe so heftig die Stirn runzeln konnte.
    Xander stand vornübergebeugt da und feuerte Avi mit geballter Faust an. Der Umhang des alten Kobolds hatte sich geöffnet. Er trug etwas um den Hals. Es war ein Medaillon mit einer einzigen Perle in der Mitte. Die Perle hatte einen grünen Einschluss. Ein spähendes Auge. Das Auge des Alkenoi.
    Das Vibrieren in seinen Gliedern erlosch, als hätte man ein Streichholz in Wasser getaucht. Das Gewirr aus Licht und Geräuschen verschwand.
    Avi nahm die Hände von den Armlehnen des Throns. Als er aufstand, spürte er, wie die Kräfte seinen Körper verließen. Seine Beine waren schwer und seine Arme schwach. Außerdem prickelten sie wie eingeschlafen.
    Eine Art Seufzer durchfuhr die Kapelle. Der Turm verstärkte das Geräusch und trug es über den Fluss hinaus. Die beiden Reiche erbebten. Dann gingen die Lichter der Welt der Sterblichen eines nach dem anderen aus.
    »Das Medaillon gehörte meinem Vater«, sagte Avi und ging die Stufen hinunter. »Wo hast du es her?«
    Xanders Kobolde zogen die Schwerter, doch Xander hielt sie zurück und streckte die Hände nach Avi aus.
    »Mein Junge«, erwiderte er. »Ich kann es dir erklären.«
    Als Avi nach dem Medaillon griff, zerriss die Kette wie feuchtes Papier. Er stellte fest, dass er gar nicht so schwach war, wie er sich fühlte. Er hielt das Medaillon mit der Faust umklammert. »Es kann nur auf einem Weg in deine Hände gelangt sein«, meinte er.
    »Bitte«, flehte Xander und wich zurück. »So hör mich doch an.«
    »Ich habe dein Gerede satt. Das letzte Mal habe ich dieses Medaillon im Globe Theatre gesehen, und zwar als mich mein Vater vor Kellens Kundschaftern gerettet hat. Kellens Kundschaftern, die Kobolde waren. Als er fiel, hat ihm jemand das Medaillon vom Hals genommen. Jemand hat es gestohlen, Xander. Er hat es meinem Vater gestohlen, während dieser in den Abgrund zwischen den Welten stürzte.« Er blickte die Kobolde nacheinander finster an. »Warst du es? Oder du?« Er drohte Xander mit der Faust. »Oder warst du es gar selbst, Xander?«
    »Tu, was man dir sagt, Junge«, entgegnete Xander. Seine Kobolde verteilten sich hinter ihm. »Besteig den Thron. Kellen wird ohnehin siegen.
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