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Die geheime Welt der Frauen

Titel: Die geheime Welt der Frauen
Autoren: Ilana Stanger-Ross
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Timna über Nurits ständiges Zuspätkommen und bestellte einen Kaffee. »Auf meine Rechnung«, sagte Sima ein wenig stolz zur Bedienung.
    Als die Bedienung fort war, sah Sima Timna an. Sie wollte das lockere Plaudern nicht beenden, wusste aber, dass sie etwas sagen musste, herausfinden musste, wo sie stand. »Sie werden es nicht glauben«, begann sie, »aber Lev und ich werden es tun. Ferien machen - eine Autoreise sogar. Die Küste hinauf nach Kanada, nach Neuschottland. Wir fahren eine Woche nach Ihnen ab.«

    »Wirklich? Das ist ja herrlich.«
    Sima nickte. »Es ist Ihretwegen. Wir haben mitbekommen, welchen Spaß Sie haben - das hat uns ein bisschen inspiriert.« Sie schwieg einen Moment und nahm einen Bissen von ihrem Essen. »Und besonders deshalb fühle ich mich so schlecht, wegen allem, was passiert ist …«
    Über den Tisch hinweg sah Sima, wie Timna sich in sich zurückzog, ihr Körper versteifte sich, das Lächeln auf ihrem Gesicht erstarrte, und sie senkte den Blick auf das halb leere Zuckerpäckchen, das sie in ihren Kaffee gab.
    Sima zwang sich, fortzufahren: »Ich glaube, Sie wissen, dass ich aus Sorge um Sie so gehandelt habe, also werde ich nichts mehr darüber sagen. Doch ganz egal, warum ich es getan habe, es war falsch. Es tut mir leid, es war falsch, und das wollte ich Sie nur noch einmal wissen lassen.«
    »Das weiß ich doch.«
    »Nun, ich wollte es Ihnen nur noch einmal sagen.«
    Es folgte ein Schweigen. Das war’s dann, dachte Sima. Sie hatte getan, was sie konnte, und wenn das nicht genügte - aber wie konnte das genug sein? Sie hatte die Liebe zerstört. Das tat sie immer.
    »Sima«, sagte Timna, »es ist gut. Wirklich.«
    Sima sah sie skeptisch an.
    »Wenn ich sage, dass es gut ist, meine ich es auch so.« Lächelnd blickte Timna Sima an. »Also, hören Sie jetzt auf mit dem Melodrama?«
    Sima grinste. »Danke«, flüsterte sie.
    »Und danke für den Kaffee.« Timna stand auf, um zu gehen. »Wenn Nurit jetzt nicht draußen ist, spreche ich nie wieder mit ihr.« Sie nahm ihre Tasche und sah Sima an. »Alles in Ordnung? Wir müssen nie mehr über diese Sache reden?«
    Sima nickte. »Versprochen.«

    Timna nahm einen letzten Schluck Kaffee. »Ich nehme Sie beim Wort«, sagte sie lächelnd.
    Nachdem sie fort war, blieb Sima wie betäubt sitzen. So ein verdammtes Glück, dachte sie. Und dann: dass sie es auch verdient hatte.

30
    S ima ließ in dem Schreibwarenladen an der Ecke Karten mit den neuen Öffnungszeiten drucken, platzierte sie vor der Kasse und versuchte, nicht zu vergessen, jeder Kundin eine zu geben. »Im Mai schließe ich den Laden für zwei Wochen«, sagte sie zu ihnen, »und wenn ich zurück bin, habe ich kürzer geöffnet, nur von mittags bis drei.« Die Frauen nahmen die Karten - in einer Ecke eine Zeichnung von einem BH, ein Vorschlag von Timna, die von ihr favorisierte Schrift in grellem Pink hatte Sima jedoch abgelehnt - und meinten: »Schön für Sie, dass Sie sich langsam zur Ruhe setzen«, oder »Was? So viele alte Geschäfte gibt’s schon nicht mehr, und jetzt auch noch Ihres?« Sima schüttelte den Kopf und schwor, sie würde in ihrem Laden sterben. Und so meinte sie es auch: Sie konnte sich ein Leben ohne dessen Sicherheit nicht vorstellen.
    So ein kleines Geschäft, dachte sie: Linoleumboden, Polyester-Vorhänge, Holzregale, metallene Kleiderstangen. Ein versteckter Ort, unbedeutend, nicht einmal ein Nadelstich auf der Karte des Viertels, aber für sie, die im Licht des einzigen Fensters hinter der Ladentheke stand, eine ganze Welt. Sie konnte sich nicht vorstellen, den Laden zu schließen, ohne sich auch ihren eigenen Tod vorzustellen. Sie sah den Laden leer vor sich, dunkel und von einer dicken Staubschicht bedeckt, sich selbst als Skelett, das für immer an der Theke saß und auf Kunden wartete, die nie mehr kommen würden. Sie erinnerte sich an Bilder aus Abenteuerbüchern, die sie als Kind gelesen hatte - das Piratenschiff voller Spinnweben, der Bierkrug, aus dem der Kapitän
getrunken hatte, noch immer in seiner knochigen Hand. Genauso würde ihr Leben enden.
    Und doch, dachte sie eines Abends, als sie zusah, wie Lichter von Autoscheinwerfern über die Decke ihres Schlafzimmers strichen, vielleicht waren all die Jahre, die hinter ihr lagen, Jahre voller Skelette und Spinnweben, und erst als Timna ankam, war sie wieder zum Leben erwacht. Sie hatte ein Geschäft aufgebaut, einen Raum für sich in einer überfüllten Stadt, mit Wänden, die sie selbst mit
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