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Die geheime Mission des Nostradamus

Titel: Die geheime Mission des Nostradamus
Autoren: Judith Merkle Riley
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galt der Weisheit.«
    »Die Weisheit, die ich habe, genügt mir. Ich will nur Sibille. Rettet sie, Maestro!«
    »Ach, mein lieber junger Mann. Wir erlangen im Leben oftmals mehr Weisheit, als uns lieb ist. Aber wie dem auch sei – ich merke schon, Ihr seid drauf und dran, Euch mit gezücktem Schwert auf die Palastgarde zu stürzen, um Eure Demoiselle zu retten, was Euch nur zu einem verfrühten Ableben verhelfen würde. Verlaßt Euch also auf mich. Heute um Mitternacht kommt die Königin zu mir, um sich die Zukunft auslegen zu lassen. Ich habe da einen Plan.«
    »Einen Plan? Nur einen Plan?«
    »Aber der Plan ist von Nostradamus, junger Mann.«
    »Nicolas bitte.«
    »Gut, dann Nicolas. Nicolas, bleibt also und helft mir. Ich bin zu steif, um das alles allein zu machen. Ich weiß nicht, was sie sich dabei gedacht hat, als sie mich auf diese Weise hierher zerren ließ. Ich hätte ihr doch alles mit der Post schicken können.« Der alte Doktor brummelte etwas in seinen Bart und öffnete den Taubenkäfig.
    »Was soll ich tun?« fragte Nicolas.
    »Als erstes kramt Ihr mir etwas aus der Truhe da. Ich brauche eine menschliche Tibia.«
    »Eine was?«
    »Ein Schienbein. Und falls Ihr daran interessiert seid, zeige ich Euch, wie man eine Katze magnetisiert.«

    »Ich hasse dich, ich hasse dich, ich hasse dich. Da, sieh dir an, was du wieder angerichtet hast«, sagte ich zu Menanders Kasten, der vor mir in schimmligem Stroh auf dem Boden stand. Das einzige Licht in dem kleinen Raum mit seinen Steinmauern spendete eine flackernde Kerze in einem schäbigen eisernen Kerzenhalter. Ein Luftzug, der aus unbestimmter Richtung wehte, verschaffte mir etwas frische Luft. Doch es gab nicht einmal ein Fenster. Einen Stuhl auch nicht, und Wände und Fußboden schwitzten Feuchtigkeit aus. »Ich habe kalte Füße, und wenn ich weiter so auf dem Boden hocke, schläft mir noch die Kehrseite ein.«
    »Halt den Mund, ich muß nachdenken«, schimpfte das Ding im Kasten, dann schwieg es wieder. Das hier dürfte der tiefste Keller im ganzen Bergfried von Chaumont sein, dachte ich. Man hat mich zum Narren gehalten, als man mich hier einsperrte. Das hat jemand anders angeordnet, nicht die Königin. Jemand, der es auf Menander abgesehen hat, und das heißt, ich bin so gut wie tot. Wer hört mich hier schreien, so tief unten, hinter einer so schweren Tür? Dann dachte ich an Nicolas, der nicht einmal erfahren würde, was mir zugestoßen war, und da liefen die Tränen, und ich schluchzte lange, lange vor mich hin. Plötzlich vernahm ich ein Schlüsselklirren, dann wurde die Tür nach innen geöffnet. Auf der Schwelle stand ein Wachposten mit einem Schlüsselring und einer brennenden Fackel, hinter ihm sah ich zwei weitere Wachen und einen hünenhaften Burschen mit Lederschürze, der einen großen Sack in der Hand hielt. Wortlos betraten sie nacheinander den Raum. Ihnen folgte ein weiterer Wachposten mit einer Fackel, und dann stand die Königin höchstpersönlich vor mir. Sie war ganz in Schwarz gekleidet und hatte sich einen dichten schwarzen Schleier vors Gesicht gezogen. Das verhieß nichts Gutes.
    »Mademoiselle de la Roque, Ihr könntet zumindest aufstehen, wenn Eure Königin das Zimmer betritt.«
    »Es tut mir sehr leid, aber meine Gelenke sind ganz steif, und die Beine sind mir eingeschlafen«, sagte ich und tat so, als ob ich mühsam hochkommen wollte, es jedoch nicht schaffte. Wenn man umgebracht werden soll, kann man als erstes auf gute Manieren verzichten.
    »Ihr versteht gewiß, daß die Zukunft des Staates Vorrang hat vor Euren persönlichen Belangen… Eure Gedichte werden Euch überleben, das dürfte Euch ein Trost sein.«
    »Ich hätte lieber Kinder, die mich überleben. Was Ihr im Sinn habt, ist ganz und gar ungerecht.«
    »Es ist nun einmal so, daß Menander vernichtet werden muß, und da Ihr bedauerlicherweise nicht von ihm zu trennen seid, muß ich auf Eure Anwesenheit bei Hofe verzichten. Dieses Opfer muß ich einfach bringen.«
    Wie niederträchtig und kalt die Königin war – es wollte mir nicht in den Kopf, daß ich sie einmal nett gefunden hatte. O Sibille, sagte mein dichterisches Selbst, blauäugig wie ein Kind hast du dir Honig um den Mund schmieren lassen, und nun bist du verloren. Der arme Nicolas wird dein Grab vergeblich suchen, und das bricht ihm das Herz. Alles war sehr poetisch. Aber mein niedrigeres Selbst sagte, mach es ihr nicht so leicht. »Mein Blut wird Euch mit ewiger Schuld beflecken«, sagte ich, doch die
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