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Die geheime Braut

Die geheime Braut

Titel: Die geheime Braut
Autoren: Brigitte Riebe
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gesagt hatte?
    Es gab keine andere Wahl.
    Jan packte den Stuhl, hob ihn hoch und kämpfte sich mit der doppelten Last voran. Als er sie kurz absetzte, um die Klinke nach unten zu drücken, spürte er den Atem der Flammen im Rücken.
    Er vergaß aufzuschreien, als das glühende Metall sich in seine rechte Hand fraß, stieß den Stuhl und Susanna mit den Füßen ins Freie und sprang ihnen nach.
    Hinter ihnen ein Flammenmeer.
    *
    Susanna war von Kopf bis Fuß rußgeschwärzt und einer Ohnmacht nahe, aber sie lebte. Bini lief zu ihr, während ein Gardist ihre Fesseln aufschnitt, und bedeckte ihr versengtes Haar mit Küssen.
    Inzwischen läuteten die Glocken von St. Marien wie immer, wenn ein Brand ausbrach, und die Nachbarn liefen mit Eimern herbei, um beim Löschen zu helfen.
    »Jan«, flüsterte Susanna und begann zu weinen, als sie seine Hand sah, auf der das Fleisch aufgeplatzt war und sich dicke Blasen bildeten. »Was hast du nur für mich getan? Du wirst niemals wieder malen können!«
    »Werde ich doch«, widersprach er mit schmerzverzerrter Miene. »Es ist nichts als verbannte Haut. Aber es tut höllisch weh.«
    »Seine Dienerin ist noch im Haus – Moira«, sagte Susanna. »Ihr müsst sie herausholen!«
    »Der kann niemand mehr helfen«, sagte Luther. »Aber er? Wo ist Pistor? Geflüchtet?«
    »Er wollte durch den Keller«, erwiderte Susanna, »und hat Moira gefragt, ob unten alles offen sei.«
    »Aber sie hat es nicht gut mit ihm gemeint«, sagte Altenstein. »Denn der Kellerausgang ist verriegelt. Da konnte nicht einmal mehr eine Ratte hinaus.«
    »Dann hat er seine Strafe bereits bekommen«, sagte Falk. »Und niemand weiß besser als ich, wie hart sie ist.«
    »Und das Bild?«, fragte Jan. »Hat er es mit in den Tod ge nommen?«
    Susanna nickte.
    »Er wollte sie besitzen«, sagte sie leise. »Für alle Zeiten. Dazu hat er die Frauen malen lassen – und dann getötet. Damit sie ihm für immer gehören. Er hat so schreckliche Dinge zu mir gesagt!«
    »Einem wahnsinnigen Mörder das letzte Wort lassen?«, rief Cranach. »Niemals! Kunst besiegt den Tod, das werden wir allen beweisen. Die drei Grazien sollen leben, leben für immer! Und du gehst mir dabei zur Hand, Seman …«
    Er verstummte, schaute zu Jan, der schmerzlich lächelte.
    »Na ja, sobald es eben wieder möglich ist. Denn du wirst doch bei mir bleiben, jetzt, wo alles überstanden ist?«
    Susanna und Jan tauschten einen einvernehmlichen Blick.
    »Ich gehe mit dir, wohin du willst«, sagte sie leise. »Niemand darf uns jemals wieder trennen.«
    »Dann könnte ich eventuell noch bleiben«, sagte Jan schließ lich, während Cranach ihn streng beäugte. »Eine kleine Weile. Unter gewissen Umständen …«

E PILOG
    D er Raum, in den er sie führt, ist kühl und so finster, dass sie beinahe über ihren Rocksaum gestolpert wäre.
    Angst streift sie wie ein eisiger Hauch. Auf einmal ist alles wieder wie damals.
    Das Dunkel.
    Das Gefühl von Verlassenheit.
    Die Wut, einem Wahnsinnigen in die Hände gefallen zu sein.
    Die verzweifelte Aussichtslosigkeit ihrer Lage, die sie aufzufressen droht.
    Ihr Magen zieht sich jäh zusammen. Plötzlich hat sie den Geschmack von Erbrochenem im Mund.
    Dann hört sie neben sich sein vertrautes Lachen, ausgelassen, voller Wärme.
    »Was bin ich nur für ein verdammter Idiot, verzeih! Natürlich hätte ich daran denken müssen. Rühr dich nicht von der Stelle. Gleich ist alles wieder gut.«
    Mit schnellen Schritten entfernt er sich von ihr. Sie hört, wie er die Fensterläden aufstößt.
    Herbstluft flutet herein, zusammen mit dem trägen Licht eines späten Nachmittags, das die hässlichen Gespenster der Vergangenheit rasch vertreibt.
    Dennoch zögert sie, zu der gegenüberliegenden Wand zu schauen.
    »Sieh es dir an!« Seine Stimme verrät Stolz, aber auch eine gewisse Unsicherheit. »Du musst es dir ansehen!«
    Es kostet sie immense Kraft, den Kopf zu heben. Die Lider sind bleischwer.
    Wie klein das Bild ist!
    Und dennoch scheint es aus einer unsichtbaren Quelle gespeist zu sein, um den ganzen Raum mit Licht zu erfüllen. Vor dunklem Hintergrund das sahnige Hell der nackten Körper. Das Gold der Geschmeide und der Haare. An dem Rot des Hutes, den die mittlere der drei Frauengestalten trägt, kann sie sich kaum sattsehen. So leicht wirken sie, so anmutig, so ganz und gar selbstverständlich.
    »Euphrosyne«, flüstert sie nach einer Weile und kann den schwierigen griechischen Namen zum ersten Mal fehlerfrei aussprechen.
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