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Die geheime Braut

Die geheime Braut

Titel: Die geheime Braut
Autoren: Brigitte Riebe
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beim Wühlen die Decke ganz auf den Boden gezerrt.
    »Da ist es ja!« Jan ging auf die Knie und nahm das Skizzenbuch an sich.
    »Hast du nun, was du wolltest?«, fragte Katharina.
    »Ich werde erst wieder zur Ruhe kommen, wenn ich Susanna im Arm halte.«
    »So ernst ist es dir mit ihr?«
    Er nickte, unfähig zu sprechen, weil seine Kehle auf einmal eng geworden war.
    Wieder unten angelangt, starrten die anderen Jan und Katharina erwartungsvoll an.
    »Da oben war nichts, was uns weiterbringen könnte«, sagte Jan. »Nur mein Skizzenbuch.«
    Hansi langte danach, legte es auf den Tisch und schlug es auf.
    Auf den ersten Seiten war er selbst zu sehen, auf dem Schoß seiner Mutter.
    »Hansi«, sagte er ernsthaft und deutete auf sich. »Mama.« Das galt Katharina.
    Marlein hatte sich ebenfalls über das Buch gebeugt und begann hingebungsvoll zu blättern.
    »Wie schön diese Bilder sind!«, sagte sie. »Ich wünschte, jemand würde einmal mich so zeichnen.«
    Die nächsten Seiten zeigten verschiedene Skizzen der klei nen Elisabeth: beim Schlafen, lachend und wach, das Gesicht chen weinend verzogen.
    »Elsi«, rief der Kleine. »Elsi – im Himmel.«
    Katharinas Gesicht wurde dunkel, und sie griff nach dem Buch, doch Hansi hatte ebenfalls überraschend fest zugepackt und wollte seine Beute nicht mehr hergeben. Beide zerrten sie daran, bis das Buch mit dem Rücken nach oben zu Boden fiel.
    Jan bückte sich, um es aufzuheben.
    Als er es zurück auf den Tisch legte, gerieten seine Finger zwischen die Seiten, und er schlug ungewollt ein weiteres Blatt auf.
    Plötzlich krallten sich Marleins Fingernägel in seinen Arm.
    »Aber das ist er ja!«, stieß sie hervor und deutete auf einen der Männer, die um die Bahre standen, auf der eine tote junge Frau lag. »Das ist der Patron, dem ich die Maske abgerissen habe!«
    *
    »Sag den Namen!« Seine Stimme drang fordernd in ihr Ohr.
    Inzwischen fielen Susanna fast die Augen zu, so erschöpft war sie. Eine ganze Zeit hatte er sie wieder mit dem Knebel stumm gemacht, so lange wie die Männer die Kisten aus dem Haus getragen hatten.
    Inzwischen war alles still geworden.
    Es gab nur noch sie und ihn. Und jenes stumme dunkle Wesen, das mehrmals durch den Raum gehuscht war.
    »Euph…«
    Er schlug abermals zu, als habe er nur darauf gewartet.
    War das das Ende, das hier auf sie wartete?
    »Du denkst, es wird leicht werden, doch da hast du dich ge täuscht«, flüsterte er. »Denn Wasser und Erde waren schon den beiden anderen bestimmt, gnädige, durchaus freundliche Ele mente, wie du alsbald erkennen wirst. Für Katharina hatte ich die Luft gewählt, doch du, du wirst das Feuer zu schmecken bekommen.«
    Was sollte sie tun? Schreien, bis ihr die Lunge platzte?
    Inzwischen wusste sie, wer vor ihr stand: jener Mann, der einst als Gast an der Luther’schen Tafel gegessen hatte. Sein Name wollte ihr nicht mehr einfallen, sosehr sie ihr Hirn auch zermarterte. Doch er musste zur Leucorea gehören, so viel stand fest.
    Wieso hatte sie ihn damals nicht am Geruch wiederer kannt?
    Sie war zu weit von ihm entfernt gewesen, und womöglich hatte er auch ein schweres Öl aufgetragen, um seine Ausdünstungen zu übertünchen.
    Jetzt stank er unerträglicher denn je.
    »Keine mochte mich riechen«, sagte er. »Nicht einmal die Schwarze Griet, die das Hurenhaus für mich geführt hat. Eine ganze Zeit lang dachte ich, ich könnte ihr trauen. Doch sie ist wie ihr alle: neugierig, geschwätzig, nichts als ein Haufen Mist, verpackt in eine pralle, rosige Hülle.«
    Er begann zu lachen.
    Susanna lief ein kalter Schauer den Rücken hinunter.
    »Hab ihr ein ewiges Zeichen verpasst«, sagte er. »Du kennst es. Die Forke des Teufels, die trägt sie jetzt für immer im Gesicht.«
    »Mein Bräutigam weiß, wo ich bin«, sagte Susanna. Es war absurd, denn Jan war ja gefangen, aber sie musste es einfach versuchen. »Jan wird kommen, mich befreien und dich zur Rede stellen. Und sein Meister, Lucas Cranach …«
    »Cranach – dieser alte, gierige Geldsack!« Sein Lachen wurde noch hohler. »Nicht nur der feige Herr Apotheker hätte angesichts eines Stricks alles auf sich genommen, um sein bisschen Leben zu retten. Für ein paar Silberlinge war er auch bereit, seine Seele zu verkaufen. Schau dir das Bild an, ein echter Cranach! Würde er sonst die geflügelte Schlange als Unterschrift tragen?«
    Woher kam auf einmal die Fackel, die er in der Hand hatte?
    Er hielt sie so nah an Susannas Arm, dass ihre hellen Härchen
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