Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Gefangene des Highlanders

Die Gefangene des Highlanders

Titel: Die Gefangene des Highlanders
Autoren: Megan MacFadden
Vom Netzwerk:
Kinderwagens in die afrikanische Wüste kommen? Kannst du mir das sagen, Rike?“
    „Das kann ich“, erklärte Rike ruhig. „Tatsache ist, dass sich deine Mutter nicht allein mit deinen Halbbrüdern und einigen ihrer Leute dem Treck angeschlossen hat. Wenige Tage vor dem Aufbruch war eine angeheiratete Nichte deiner Mutter …“
    „Lena. Ihre ganze Familie war umgekommen. Meine Mutter erzählte immer wieder, wie Lena drei Tage und zwei Nächte geritten und halbverhungert auf dem Gut angekommen sei. Auf der Flucht allerdings … aber sag du zuerst, Rike.“
    „Ja. Deine Mutter und Lena sind wohl mehrmals in gefährliche Situationen geraten, weshalb sie dazu übergingen, die Zwillinge nicht im Wagen zu schieben, sondern in einem Tuch auf dem Rücken zu tragen. Das war gut so, denn nicht nur Zivilisten befanden sich auf der Flucht. Oskar sprach von motorisierten Verbänden, Soldaten in Lastwagen, die auf dem Rückzug waren und die, wenn sie von hinten daher rollten, die Flüchtlinge von der Straße oder vom Weg drängten. Im späten Frühling hatten die steigenden Temperaturen viele Landstriche in Morast verwandelt, weshalb diese Ausweichmanöver ziemlich gefährlich gewesen waren. Einmal, schon in der Dämmerung, seien tatsächlich mehrere Wagen, darunter auch euer Leiterwagen, umgekippt, die Pferde hätten wild um sich getreten, es sei ein schreckliches Durcheinander gewesen. Erst tief in der Nacht, als man endlich gerettet hatte, was zu retten möglich war, hätte man Lena und einen der Zwillinge vermisst. Deine Mutter wäre untröstlich gewesen, aber ihn, Oskar, hätte am meisten verwundert, dass sie ständig geschrien hätte: ›Wo ist der Kinderwagen?‹ Dass deine Mutter nicht den Verlust ihres Kindes und einer Nichte beweinte, sondern um einen abhandengekommenen Kinderwagen jammerte, hätten alle dem Schock zugeschrieben.“
    „Bis zu ihrem Tod hat meine Mutter immer wieder von dieser Nacht erzählt. Meine Brüder und ich konnten die Geschichte schon nicht mehr hören. Es ging ja nicht nur um Lena; jeder dachte, sie sei – na ja, du kannst dir vorstellen, was die Leute über ein Mädchen und Soldaten gedacht haben.“
    „Obwohl es unsere eigenen Soldaten waren?“
    Lotte hob die Schultern. „Keine Ahnung. Was genau mit ihr in jener Nacht geschehen ist – ob ihr überhaupt etwas geschehen ist – und wie sie sich mit dem kleinen Horst hat retten können, hat sie nie berichtet. Es gelang ihr aber, meine Mutter im Westen ausfindig zu machen, und so stand sie dann eines Tages mit Horst auf dem Arm vor der Tür.“ Lotte trank den letzten Schluck Wasser und nahm die Beine vom Tisch. „Ich habe Lena immer für eine richtig coole, taffe Heldin gehalten.“
    Rike nickte. „Das muss sie wohl gewesen sein, denn sie war ja so geistesgegenwärtig, nicht nur deinen Halbbruder, sondern auch noch den Kinderwagen mitzunehmen.“
    Lotte führte das Glas zum Mund, erinnerte sich, dass es leer war, und stellte es hart auf den Tisch. „Was willst du damit sagen?“
    „Du meinst: Welche Fragen hat Billek sich wohl gestellt? Warum wurde der Schiebebügel des Kinderwagens erst am Morgen der Flucht montiert? Warum verschwand Lena mit dem Wagen? Und warum hing ein Stück des Rohrgeflechts noch fünfzig Jahre später am Kamin einer Lodge in Afrika?“ Rike ließ ihre Freundin nicht aus den Augen. „Lotte, was weißt du über den Kinderwagen?“
    Lotte zog hörbar die Luft ein. „Meine Mutter“, antwortete sie langsam, „meine Mutter hat meinen Brüdern und mir erzählt, dass sie im hohlen Bügel einige Schmuckstücke und verschiedene Dokumente versteckt hätte.“
    „Genau das vermutete Oskar damals auch. Am Morgen erfuhr er vom Besitzer der Lodge, dass dessen Frau Lena aus Ostpreußen stammte und Weymoden geheißen habe. Durch den Krieg hätte sie Heimat und Familie verloren, und weil sie nichts und niemand mehr in Deutschland gehalten habe, hätte sie sich nach Afrika durchgeschlagen. Das Peddigrohrgeflecht sei eines von zwei Erinnerungsstücken aus der alten Heimat gewesen und habe deshalb den Ehrenplatz überm Kamin erhalten.“
    „Hat sich Billek auch nach dem zweiten Erinnerungsstück erkundigt?“, fragte Lotte gespannt.
    „Ja.“
    „Ja!? Und? Was ist es? Befindet es sich noch in der Lodge?“
    Rike schüttelte die Haare aus dem Gesicht. „Vor fünf Jahren, sagte er, war es noch in der Lodge. Er hat es nicht nur gesehen, er hat es sogar in der Hand gehalten.“
    „Und? Was war’s denn?“
    „Ein Stück
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher