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Die Gedichte

Die Gedichte

Titel: Die Gedichte
Autoren: Rainer Maria Rilke
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einen Vierling …
Fern drängt sichs wie eine Bubenschar:
die Löwenzähne mit blondem Haar
betreut vom sternigen Schierling.

    Dort hockt hinterm Schierling der Riesenpan,
der strotzige, lose Geselle.
Jetzt sieht er verstohlen die Liese nahn
und lacht und wälzt durch den Wiesenplan
des Windes wallende Welle …

    IX
    Ich träume tief im Weingerank
mit meiner blonden Kleinen;
es bebt ihr Händchen, elfenschlank,
im heißen Zwang der meinen.

    So wie ein gelbes Eichhorn huscht
das Licht hin im Reflexe,
und violetter Schatten tuscht
ins weiße Kleid ihr Kleckse.

    In unsrer Brust liegt glückverschneit
goldsonniges Verstummen.
Da kommt in seinem Sammetkleid
ein Hummel Segen summen …

    X
    Es ist ein Weltmeer voller Lichte,
das der Geliebten Aug umschließt,
wenn von der Flut der Traumgesichte
die keusche Seele überfließt.

    Dann beb ich vor der Wucht des Schimmers
so wie ein Kind, das tsockt im Lauf,
geht vor der Pracht des Christbaumzimmers
die Flügeltüre lautlos auf.

    XI
    Ich war noch ein Knabe. Ich weiß, es hieß:
Heut kommt Base Olga zu Gaste.
Dann sah ich dich nahn auf dem schimmernden Kies,
ins Kleidchen gepreßt, ins verblaßte.

    Bei Tisch saß man später nach Ordnung und Rang
und frischte sich mäßig die Kehle;
und wie mein Glas an das deine klang,
da ging mir ein Riß durch die Seele.

    Ich sah dir erstaunt ins Gesicht und vergaß
mich dem Plaudern der andern zu einen,
denn tief im trockenen Halse saß
mir würgend ein wimmerndes Weinen.

    Wir gingen im Parke. – Du sprachst vom Glück
und küßtest die Lippen mir lange,
und ich gab dir fiebernde Küsse zurück
auf die Stirne, den Mund und die Wange.

    Und da machtest du leise die Augen zu,
die Wonne blind zu ergründen …
Und mir ahnte im Herzen: da wärest du
am liebsten gestorben in Sünden …

    XII
    Die Nacht im Silberfunkenkleid
streut Träume eine Handvoll,
die füllen mir mit Trunkenheit
die tiefe Seele randvoll.

    Wie Kinder eine Weihnacht sehn
voll Glanz und goldnen Nüssen, –
seh ich dich durch die Mainacht gehn
und alle Blumen küssen.

    XIII
    Schon starb der Tag. Der Wald war zauberhaft,
und unter Farren bluteten Zyklamen,
die hohen Tannen glühten, Schaft bei Schaft,
es war ein Wind, – und schwere Düfte kamen.
Du warst von unserm weiten Weg erschlafft,
ich sagte leise deinen süßen Namen:
Da bohrte sich mit wonnewilder Kraft
aus deines Herzens weißem Liliensamen
die Feuerlilie der Leidenschaft.

    Rot war der Abend – und dein Mund so rot,
wie meine Lippen sehnsuchtheiß ihn fanden,
und jene Flamme, die uns jäh durchloht,
sie leckte an den neidischen Gewanden …

    Der Wald war stille, und der Tag war tot.
Uns aber war der Heiland auferstanden,
und mit dem Tage starben Neid und Not.
Der Mond kam groß an unsern Hügeln landen,
und leise stieg das Glück aus weißem Boot.

    XIV
    Es leuchteten im Garten die Syringen,
von einem Ave war der Abend voll, –
da war es, daß wir voneinander gingen
in Gram und Groll.

    Die Sonne war in heißen Fieberträumen
gestorben hinter grauen Hängen weit,
und jetzt verglomm auch hinter Blütenbäumen
dein weißes Kleid.

    Ich sah den Schimmer nach und nach vergehen
und bangte bebend wie ein furchtsam Kind,
das lange in ein helles Licht gesehen:
Bin ich jetzt blind?–

    XV
    Oft scheinst du mir ein Kind, ein kleines, –
dann fühl ich mich so ernst und alt, –
wenn nur ganz leis dein glockenreines
Gelächter in mir widerhallt.

    Wenn dann in großem Kinderstaunen
dein Auge aufgeht, tief und heiß, –
möcht ich dich küssen und dir raunen
die schönsten Märchen, die ich weiß.

    XVI
    Nach einem Glück ist meine Seele lüstern,
nach einem kurzen, dummen Wunderwahn …
Im Quellenquirlen und im Föhrenflüstern
da hör ichs nahn …

    Und wenn von Hügeln, die sich purpurn säumen.
in bleiche Bläue schwimmt der Silberkahn, –
dann unter schattenschweren Blütenbäumen
seh ich es nahn.

    In weißem Kleid; so wie das Lieb, das tote,
am Sonntag mit mir ging durch Staub und Strauch,
am Herzen jene Blume nur, die rote,
trug es die auch? …

    XVII
    Wir gingen unter herbstlich bunten Buchen,
vom Abschiedsweh die Augen Beide rot …
»Mein Liebling, komm, wir wollen Blumen suchen. «
Ich sagte bang: »Die sind schon tot. «

    Mein Wort war lauter Weinen. – In den Äthern
stand kindisch lächelnd schon ein blasser Stern.
Der matte Tag ging sterbend zu den Vätern,
und eine Dohle schrie von fern. –

    XVIII
    Im Frühling oder im Traume
bin ich dir begegnet einst,
und jetzt gehn wir zusamm durch
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