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Die Gauklerin

Die Gauklerin

Titel: Die Gauklerin
Autoren: Astrid Fritz
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geschah das Unfassbare: Herzog Eberhard kehrte mit seinem Gefolge nach Stuttgart zurück. Nach langwierigen Verhandlungen hatte ihm der neue Kaiser sein Land zurückgegeben, um die Hälfte vermindert, hoch verschuldet, verwüstet und entvölkert. Dennoch: Es war ein Neubeginn.
    Seit Tagen schon regnete es in Strömen, doch die Stuttgarter ließen es sich nicht nehmen, ihren Herzog und dessen Familie mit Jubelchören, Fahnenschwingern und Musikanten zu empfangen. Nicht zuletzt war es die Neugier, die die Menschen bei diesem Hundewetter auf die Straßen trieb: Hatte sich der Herzog doch vermählt, ein Jahr nachdem er in Straßburg seine Mutter hatte zu Grabe tragen müssen. Jeder hoffte, einen ersten Blick auf die junge Anna Catharina zu erhaschen.
    Agnes wartete, bis sich der Trubel um des Herzogs Ankunft gelegt hatte, dann machte sie sich mit David auf den Weg zum Haus der Landschaft, wo die herzogliche Familie ihr neues Quartier bezogen hatte. Es lag schutzlos inmitten der verwahrlosten, verdreckten Stadt, doch das von den Besatzern aufgegebene Schloss war nun endgültig heruntergewirtschaftet und geplündert.
    Es kostete Agnes einige Mühe, sich Zutritt zu verschaffen, aber einer der alten Diener erkannte sie schließlich und führte sie und ihren Sohn in Antonias Schlafgemach, wo die Reisekisten nochmitten im Raum standen. Die Prinzessin lehnte am Fenster, und wandte sich erst um, als der Diener verkündete, wer seine Aufwartung mache.
    «Agnes! Herr im Himmel, ist das eine Überraschung! So oft habe ich an dich gedacht. Und du – du bist doch nicht etwa David? Wie erwachsen du geworden bist. Nun setzt euch doch, vielleicht dort auf die Kiste. Was für eine Unordnung hier herrscht. Doch jetzt erzählt, wie es euch ergangen ist.»
    Vor Aufregung hatte die Prinzessin rote Flecken auf den Wangen. Sie wirkte längst nicht mehr so mädchenhaft, wie Agnes sie in Erinnerung hatte, auch ein wenig müde und vergrämt, doch jetzt strahlten ihre dunkelbraunen Augen.
    Verlegen reichte ihr David das Paket, das er die ganze Zeit im Arm gehalten hatte.
    «Eure Bücher aus dem Pavillon. Ich hatte Großmutter daraus vorgelesen, während Mutter verschollen war. Verzeiht mir bitte, dass ich sie einfach genommen habe.»
    Antonia lachte laut auf. «Und ich dachte schon, die Soldaten hätten selbst meine geliebten Bücher gestohlen. Stattdessen waren sie in allerbesten Händen. Ach David, du glaubst nicht, wie mich das freut. Und jetzt berichtet.»
    Bis zum Abendgeläut der Glocken saßen sie zusammen, bei süßem Wein und Kuchen   – Köstlichkeiten, an deren Geschmack sich Agnes schon gar nicht mehr hatte erinnern können. Der Prinzessin waren die Tränen in die Augen getreten, als sie erzählte, wie sie auf dem Weg hierher durch verwüstete Felder und verlassene Höfe gefahren seien, durch ausgebrannte Dörfer und Weingärten, in denen jeder Rebstock mutwillig niedergehauen worden sei.
    «Und dann unser schöner Lustgarten: von Dornen und Brennnesseln überwuchert, all unsere kostbaren Züchtungen verdorben. Im Schloss haben sie alles herausgerissen, kein Möbelstück, kein Gemälde uns gelassen, die Kutschen und Pferde aus demMarstall sind gestohlen. Die Pracht unserer Residenz ist dahin und die Staatskasse leer. Vorbei sind die Abendspaziergänge im Garten, die Konzerte, die schönen Ausflüge und Reisen. Doch was rede ich? Euch allen ist es noch viel schlimmer ergangen.» Sie lächelte tapfer. «Aber wir werden dieses Land wieder aufbauen, mit der Hilfe jedes Einzelnen, nicht wahr? Obendrein mit unserer neuen Herzogin – sie ist vielleicht nicht übermäßig hübsch oder begabt, aber eine gute Seele und voller Tatkraft. Ihr werdet sehen.»
    «Was denkt Ihr», fragte Agnes. «Wird es bei uns wieder zu Kriegshandlungen kommen?»
    Die Prinzessin blickte zum Fenster, als könne sie draußen eine Antwort finden. Schließlich sagte sie: «Der Herzog hat alles getan, um Frieden mit dem Kaiser zu schließen. Sämtliche Klostergüter hat er übergeben, auf einige weitere weltliche Ämter und Herrschaften verzichtet.»
    «Dann – sind die Festungen auch übergeben?» Agnes konnte nicht verhindern, dass ihre Stimme zu zittern begann.
    «Ja. Bis auf den Hohentwiel, und daran wäre unsere Rückkehr beinahe gescheitert. Die Burg ist umkämpfter denn je, aber Widerhold weigert sich hartnäckig, sie aufzugeben. Und das, obwohl Eberhard ihn dazu angewiesen hat. Was für ein Starrkopf.» Sie schüttelte den Kopf. «Er und seine Leute
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