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Die Gauklerin

Die Gauklerin

Titel: Die Gauklerin
Autoren: Astrid Fritz
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Land und seine Menschen auf immer gezeichnet.»
    Er nickte und nahm ihre Hand. «Ihnen bleibt nur zusammenzuhalten, bis Gott bessere Zeiten schickt.»
    «Ich werde mit Antonia reden. Sie muss bei ihrem Bruder ein gutes Wort für dich einlegen.» Sie schmiegte sich an ihn. «Weißt du, Sandor, was ich fest glaube? Für uns beide haben sie bereits begonnen.»

Epilog
    Trotz des Friedensschlusses mit dem Kaiser fand das Herzogtum Württemberg noch lange keine Ruhe. Wehrlos ausgeliefert, wurde es zum bevorzugten Aufmarschgebiet der kaiserlichen, bayerischen und französischen Truppen, weiterhin überschwemmten die Söldnerheere das Land, die Scharen von Franzosen, Spaniern und Schweden, Polen, Wallonen, Italienern, Schotten, Flamen, Kroaten, Kosaken, Griechen und Türken. Sie versetzten die Menschen in Angst und Schrecken, brachten neue Sterbensläufe und Hungersnöte.
    Natur- und Himmelserscheinungen kündeten allerorten vom Zorn Gottes über die sündige Menschheit, so das große Erdbeben im Herzen Schwabens an einem kalten Novembertag anno Domini 1642, der Blutregen bei Vaihingen wenig später, dann ein feuerroter Sonnenaufgang im ganzen Land: Die Sonne wurde zu einem Geschütz und feuerte gelbe, blaue, schwarze, rote Kugeln ab. In Tübingen und Wildberg kamen scheußliche Missgeburten zur Welt, in Münsingen wurde den Bauern die Milch zu Blut.
    Die Staatsoberhäupter waren indessen nicht dumm. Längst hatten sie erkannt, dass der Krieg den Krieg nicht mehr ernähren konnte, dass auf verbrannter Erde kein Korn zu finden war und in den geplünderten Schlössern keine Schätze, und so einigten sie sich in weiser Voraussicht schon einmal auf die Orte künftiger Verhandlung: auf das katholische Münster und das protestantische Osnabrück.
    Doch den Großen Krieg zu beenden schien eine ungeheuerschwierige Aufgabe, und so brauchte es noch einmal sieben Jahre, bis die Postreiter ins Reich ausschwärmen durften, um die «gute Post und neue Friedenszeit» zu verlautbaren, sieben lange, harte Jahre, in denen der Krieg der Einfachheit halber weiterging und siegreiche wie fliehende Kriegsvölker die restlichen Landstriche verheerten.
    So war denn alles verwüstet, als die gekrönten Häupter im Herbst des Jahres 1648 die Instrumenta pacis nach langem Ringen endlich unterzeichneten, am selben Tag nebenbei, an dem im niederländischen Utrecht ein Doctor Iacobus Marx feierlich zum Professor der medizinischen Fakultät habilitiert wurde. Im württembergischen Herzogtum lag die Hälfte der Häuser in Trümmern, die Äcker und Weinberge, Weiden und Gärten waren wüst, nur ein Drittel der Menschen – ein Drittel! – hatte überlebt. In der benachbarten Kurpfalz, am Oberrhein und im Breisgau sah es, wie in unzähligen anderen Gebieten des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation, nicht besser aus.
    Als Kanonensalven und Glockengeläut, Trompeten und Heerpauken überall im Reich vom deutschen Frieden kündeten, strömten die Menschen in die Kirchen und auf die Gassen. Auch die Stuttgarter Stiftskirche war überfüllt. Dankbar lauschten die Menschen der Friedenspredigt von der goldenen Kanzel, voller Inbrunst sangen sie ihr Bekenntnis «Ein feste Burg ist unser Gott». Nur der herzogliche Hofstallmeister Sandor Faber und dessen Frau Agnes hatten es eilig heimzukehren ins Marschallenhaus, denn dort lag Davids junge Frau Beate in den Wehen. Noch am frühen Abend sollte sie einen gesunden Jungen zur Welt bringen. Des Herzogs Schwester Antonia, noch immer ledig und in bescheidensten Verhältnissen lebend, kam persönlich als eine der ersten Gratulanten.
    Auch in einem kleinen Dorf in den Wäldern oberhalb Stuttgarts läuteten die Friedensglocken. Nach dem letzten Vers des Dankliedes der Erlösten brachten die Überlebenden des Dörfchenseinem noch Ärmeren Brot und Wein in den Wald. Die Älteren begegneten dem frommen Einsiedler mit ängstlichem Respekt, doch die Kinder liebten Bruder Matthes, diesen seltsamen Mann mit dem schiefergrauen Bart bis über die Brust und der verkrüppelten Hand. Denn er konnte unermüdlich erzählen, fröhliche und traurige Geschichten aus einer Zeit lange vor ihrer Geburt, da es noch keinen Krieg gab, und hoffnungsfrohe Geschichten, wie es künftig werden könnte: In einer Welt ohne brennende Dörfer und ohne Soldaten, wo jeder von ihnen, ob Bauer oder Bürger, friedlich seinem Tagewerk nachgehen würde.

Informationen zum Buch
    Die junge Agnes führt ein behütetes Leben bis zu dem Tag, als der Krieg seine
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