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Die Furcht des Weisen / Band 1

Die Furcht des Weisen / Band 1

Titel: Die Furcht des Weisen / Band 1
Autoren: Patrick Rothfuss
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Brust, direkt über dem Herzen, und sauge Euch das Blut aus. Wie man den Saft aus einer Pflaume saugt.«
    Der Chronist kniff den Mund zusammen. »Das ist nicht witzig.«
    Bast hob den Blick und warf dem Chronisten ein verwegenes, zähnebleckendes Lächeln zu. Doch etwas stimmte nicht mit diesem Gesichtsausdruck. Er hielt ein wenig zu lange an. Und das Lächeln war ein bisschen zu breit. Und der Blick war dabei nicht direkt auf den Chronisten gerichtet, sondern knapp an ihm vorbei.
    |29| Bast hielt für einen Moment inne, und seine Finger flochten nicht mehr flink zwischen den grünen Blättern umher. Er blickte neugierig auf seine Hände und warf dann den halb fertigen Stechpalmenkranz auf den Tresen. Sein Lächeln ging langsam in eine ausdruckslose Miene über, und er sah sich mit stumpfem Blick im Schankraum um. »
Te veyan
?«, sagte er mit einer seltsamen Stimme, sein Blick nun glasig und verwirrt. »
Te-tanten ventelanet

    Dann stürzte Bast mit erstaunlicher Schnelligkeit hinter dem Tresen hervor auf den Chronisten zu. Der sprang auf und wich panisch zurück. Er stieß zwei Tische und ein halbes Dutzend Stühle um, bis er schließlich über die eigenen Füße stolperte, zu Boden fiel und auf allen Vieren verzweifelt weiter auf die Tür zu kroch.
    Und während er kroch, sah sich der Chronist kurz hektisch um, sein Gesicht entsetzt und blass, nur um festzustellen, dass sich Bast lediglich drei Schritte weit fortbewegt hatte. Der dunkelhaarige junge Mann stand neben dem Tresen und krümmte und schüttelte sich vor Lachen. Eine Hand hielt er sich halb vors Gesicht, und mit der anderen zeigte er auf den Chronisten. Er lachte so lauthals, dass er kaum noch Luft bekam. Das ging so weit, dass er sich am Tresen festhalten musste.
    Der Chronist war fuchsteufelswild. »So ein Arsch!«, schrie er, während er unter Schmerzen wieder auf die Beine kam. »So ein Arsch!«
    Bast lachte immer noch so heftig, dass er kaum Luft bekam, und dabei hob er die Hände und machte halbherzige, krallende Bewegungen, wie ein Kind, das einen Bären nachahmt.
    »Bast«, tadelte der Wirt. »Reiß dich mal zusammen.« Doch während Kotes Stimme streng klang, leuchteten seine Augen vor Gelächter. Seine Lippen zuckten, mühten sich krampfhaft, die Mundwinkel unten zu halten.
    Ein Bild geknickter Würde, beschäftigte sich der Chronist damit, Tische und Stühle wieder an ihren Platz zu stellen, wobei er sie etwas härter auf den Boden knallen, ließ als nötig gewesen wäre. Als er schließlich an seinen ursprünglichen Tisch zurückgekehrt war, ließ er sich dort steif nieder. Bast war mittlerweile wieder hinter den Tresen zurückgekehrt, atmete tief und konzentrierte sich betont auf die Stechpalmenzweige in seinen Händen.
    |30| Der Chronist funkelte ihn an und rieb sich das Schienbein. Bast unterdrückte etwas, das durchaus auch ein Husten hätte sein können.
    Kote lachte kurz leise in sich hinein, zog dann einen weiteren Zweig aus dem Bündel und fügte ihn dem langen Strang hinzu, den er flocht. Er hob den Blick und sah zu dem Chronisten hinüber. »Bevor ich’s vergesse: Heute werden einige Leute hierherkommen, um Eure Dienste als Schreiber in Anspruch zu nehmen.«
    Der Chronist wirkte überrascht. »Tatsächlich?«
    Kote nickte und seufzte gereizt. »Ja. Es hat sich schon rumgesprochen. Es lässt sich also nichts mehr daran ändern. Zum Glück werden heute alle, die zwei gesunde Hände haben, bis zur Mittagszeit auf den Feldern beschäftigt sein. Bis dahin müssen wir uns also –«
    Der Wirt brach versehentlich den Stechpalmenzweig entzwei und jagte sich einen Stachel tief in den Daumen. Er zuckte nicht zusammen und fluchte auch nicht, sondern blickte nur finster auf seine Hand, aus der ein leuchtend roter Blutstropfen quoll.
    Mit gerunzelter Stirn hielt sich der Wirt den Daumen an den Mund. Alle Heiterkeit war aus seinem Gesicht gewichen, und seine Augen blickten nun dunkel und streng. Er warf den halb fertig geflochtenen Stechpalmenstrang mit einer so betont beiläufigen Geste beiseite, dass es fast schon beängstigend war.
    Er sah wieder zu dem Chronisten hinüber, seine Stimme vollkommen ruhig. »Ich wollte damit sagen, dass wir die Zeit bis zu dieser Unterbrechung nutzen sollten. Doch vorher wollt Ihr ja sicherlich noch frühstücken.«
    »Wenn es keine allzu großen Umstände macht«, erwiderte der Chronist.
    »Nicht im Geringsten«, sagte Kote, drehte sich um und verschwand in der Küche.
    Bast sah ihm mit besorgtem Blick
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