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Die fünfhundert Millionen der Begum

Die fünfhundert Millionen der Begum

Titel: Die fünfhundert Millionen der Begum
Autoren: Jules Verne
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mehrfachen, dem Civilgericht in Agra und dem Appellations-Gericht in Delhi unterbreiteten Darlegungen geht hervor, daß die Begum Gokool, Witwe des Rajah Luckmissur und Erbin höchst umfangreicher Besitzungen, im Jahre 1819 einen Ausländer, einen Franzosen von Geburt, Namens Jean Jacques Langevol ehelichte. Dieser Ausländer diente mit dem Grade eines Unterofficiers (Tambour-Majors) bis 1815 im 36. Infanterie-Regiment der französischen Armee und schiffte sich, als die sogenannte Loire-Armee damals aufgelöst wurde, in Nantes als Factor eines Kauffahrers ein. Er langte in Calcutta an, begab sich in das Innere des Landes und erhielt bald die Stelle eines Instructions-Hauptmanns der kleinen Armee von Eingebornen, welche der Rajah Luckmissur zu halten berechtigt war. In kurzer Zeit avancirte er zum Oberbefehlshaber derselben und erhielt, bald nach dem Tode des Rajah, auch die Hand von dessen Witwe. Aus Rücksichten der Kolonialpolitik und in Anbetracht der wichtigen Dienste, welche Jean Jacques Langevol den Europäern in Agra unter mißlichen Verhältnissen erwiesen, sah sich der General-Gouverneur der Präsidentschaft Bengalen veranlaßt, für den Gemal der Begum den Baronetstitel zu erbitten, der ihm auch zugestanden wurde. Das Gebiet von Bryah Jowahir Mothooranath wurde in Folge dessen zum Lehn erhoben. Die Begum verstarb im Jahre 1839 und hinterließ die Nutznießung aller ihrer Besitzungen an Langevol, der ihr zwei Jahre später in’s Grab nachfolgte. Ihrer Ehe entsproß nur ein einziger, von Kindheit auf schwachsinniger Sohn, der sofort unter obrigkeitliche Vormundschaft gestellt werden mußte. Bis zu seinem im Jahre 1869 erfolgten Tode wurden dessen Güter u.s.w. getreulich administrirt. Jetzt existiren für die ungeheuere Nachlassenschaft keine bekannten Erben. Da das Gericht von Agra und der Appellationshof in Delhi auf Ansuchen der Localbehörden im Namen des Staates die Licitation dieses Nachlasses verfügt haben, geben wir uns die Ehre, die Lords des Geheimen Rathes um ihre Bestätigung der beabsichtigten Maßnahmen zu ersuchen u.s.w. u.s.w.«
    Folgen die Unterschriften.
     
    Die beglaubigten Copien der Gerichtsbescheide aus Agra und Delhi, die Verkaufsacten, Duplicate der Depositenscheine der Bank von England, ein Bericht über die in Frankreich gethanen Schritte zur Auffindung der Erben Langevol’s, nebst einer großen Menge auf dieselbe Sache bezüglicher Documente verscheuchten auch Doctor Sarrasin’s letzte Zweifel. Er war nach Gesetz und Recht der
»next of kin«
und Erbe der Begum. Zwischen ihm und den in den Kellern der Bank von England deponirten fünfhundertsiebenundzwanzig Millionen lag nur noch die Erfüllung gewisser Formalitäten, die einfache Herbeischaffung der beglaubigten Geburts-und Todtenscheine.
    Ein so unerhörter Glücksfall bringt ja wohl auch das ruhigste Gemüth in Aufregung, und auch der gute Doctor konnte sich derselben, gegenüber dieser unerwarteten Gewißheit, nicht völlig erwehren. Jedenfalls hielt seine Erregung jedoch nicht lange an und machte sich nur in einer kurzen Promenade durch das Zimmer Luft. Dann gewann er wieder die vollkommene Herrschaft über sich, tadelte jenes vorübergehende Fieber als eine seiner unwürdige Schwäche, warf sich in einen Lehnstuhl und versank eine Zeit lang in tiefes Nachsinnen.
    Hierauf schritt er nochmals im Zimmer auf und ab. Jetzt leuchteten seine Augen, aber in reinerem Feuer, man sah, daß sich aus seinem Innern ein großer edelmüthiger Gedanke emporrang. Er erkannte ihn, überlegte, pflegte ihn mit Liebe und adoptirte ihn zuletzt.
    Eben klopfte es an der Thür. Mr. Sharp kehrte zurück.
    »Ich bitte Sie um Verzeihung wegen meines Zweifels, redete ihn der Doctor vertraulich an. Jetzt bin ich überzeugt und danke Ihnen vorläufig tausendmal für Ihre gehabte Mühe.
    – Bitte, bitte…. ein einfaches Geschäft…. mein Metier…. antwortete Mr. Sharp. Darf ich hoffen, daß mir Sir Bryah sein werthes Vertrauen zuwenden wird?
    – Das versteht sich von selbst. Ich lege die ganze Sache in Ihre Hände…. nur darum bitte ich: Verschonen Sie mich mit jenem lächerlichen Titel….«
    Lächerlich! Ein Titel im Werthe von einundzwanzig Millionen Pfund Sterling! sagten etwa die Gesichtszüge des Mr. Sharp, der aber viel zu sehr Hofmann war, um nicht sofort nachzugeben.
    »Wie es Ihnen beliebt, Sie haben zu befehlen, antwortete er mit einer Verbeugung. Ich werde also wieder nach London zurückfahren und erwarte Ihre weitere
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