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Die fünf Leben der Daisy West

Die fünf Leben der Daisy West

Titel: Die fünf Leben der Daisy West
Autoren: Cat Patrick
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Ich bin nicht stolz darauf, aber ich habe in Masons Privatordner herumgeschnüffelt. Ich habe es häufiger getan, bis ich eines Tages herausfand, dass er verheiratet war und seine Frau bei einem Skiunfall ums Leben gekommen ist. Anschließend hatte ich ein extrem schlechtes Gewissen und habe den Ordner nie wieder geöffnet.
    »Das ist okay«, antwortet Mason, was mich überrascht. »Ich bin nicht gerade gut darin, wenn es darum geht, über persönliche Dinge zu sprechen. Aber ich bin froh, dass du es weißt.« Er hält inne. »Du hättest sie gemocht. Sie war ein ausgesprochen fröhlicher Mensch. Und sie konnte verdammt gut kochen.«
    Ich lächele. »Ich bin mir sicher, dass sie großartig war.«
    »Sie hat mich immer ermutigt«, sagt Mason. »Während des Medizinstudiums hat sie mich unterstützt. Dann ist das Programm zum ersten Mal an mich herangetreten, aber ich glaubte, dass meine Erfahrung dafür nicht ausreichte. Als ich ablehnte, war sie ärgerlich und meinte, ich würde mein eigenes Potenzial nicht erkennen.«
    Einen Moment lang wirkt Mason gedankenverloren, doch dann fährt er fort: »Wie du weißt, lebt sie nicht mehr. Wir waren in Colorado Skifahren. Sie hat die Kontrolle über die Ski verloren und ist gegen einen Baum gerast. Sie war sofort tot.« Masons Blick trübt sich. »Was allerdings nirgends steht, ist, dass sie zu der Zeit schwanger war. Es war noch so früh, dass nicht einmal sie selbst es wusste.«
    »Das tut mir sehr leid«, sage ich so leise, dass es fast nur ein Flüstern ist.
    »Danke. Es war schrecklich. Aber durch ihren Tod bin ich zu dem Programm gekommen. Ich habe beschlossen, den Weg zu gehen, auf dem sie mich gern gesehen hätte. Und als du dann plötzlich da warst, ein Kind ohne Zuhause, habe ich die Gelegenheit beim Schopfe ergriffen. Ich habe förmlich gespürt, wie Zoe mich ermutigt hat, es zu tun.«
    »Ich bin froh, dass es so gekommen ist«, sage ich.
    »Ich auch. Ich hoffe nur, dass ich dich nicht in irgendeiner Hinsicht negativ beeinflusst habe, so wie Gott Cassie. Ich habe versucht, mein Bestes zu geben, aber eine klassische Familie war es sicher nicht.«
    »Egal, dafür hatte ich all die Jahre einen liebevollen, fürsorglichen Vater«, erwidere ich. »Und das ist alles, was zählt. Du hast nichts mit Gott gemein. Du bist ein echter Vater. Ich werde dir für deine Entscheidung immer dankbar sein.«
    Einen Moment sieht Mason mir tief in die Augen und lächelt warm.
    »Und es war die beste Entscheidung meines Lebens.«
    Als ich an dem Abend das Licht ausmache, das Gespräch mit Mason noch frisch im Gedächtnis, quält mich ein Gedanke: Wenn Gott bereit war, vorsätzlich zweiundzwanzig Menschen zu töten, um das Projekt, das ihm so wichtig war, aufzubauen beziehungsweise zu schützen, was hat er dann womöglich noch auf dem Gewissen?
    Wenn er zum Beispiel unbedingt wollte, dass Mason für ihn arbeitet, dieser aber nicht interessiert war, hat Gott dann bei ihm – oder bei seiner Frau – vielleicht ein wenig nachgeholfen?
    Könnte oder würde er Masons Frau getötet haben, um ihn für das Programm zu gewinnen?
    Und was ist mit mir und meinen zahlreichen Unfällen? War ich tatsächlich jedes Mal selbst daran schuld? Sicher, ich bin schusselig und verhalte mich ab und zu dumm. Das tut jeder. Aber hatten dieser Wahnsinnige und seine Tochter womöglich auch dabei ihre Finger im Spiel?
    Der Gedanke, der sich an diesem Abend viel zu spät in der Nacht in meinem Kopf festsetzt, ist folgender:
    Wenn er mich einmal umgebracht hat ...
    Hat er es dann vielleicht öfter getan?

Dieses E-Book wurde von der "Verlagsgruppe Weltbild GmbH" generiert. ©2012
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    In Audreys schmal geschnittener Jeans und einem dunkelvioletten Top trete ich durch die Eingangstür der Alameda South High School – zuversichtlich und nervös zugleich. Alle beäugen das neue Mädchen, doch zum Glück muss ich dank des Rundgangs, der nach der Einschreibung mit mir gemacht wurde, wenigstens niemanden nach dem Weg fragen.
    Ein Mädchen, ein wenig kleiner ist als ich, mit langen, blonden Haaren und nicht ganz so grünen Augen wie Mason, lächelt mich von ihrem Schließfach aus an, das sich neben meinem befindet. Sofort muss ich daran denken, wie ich Audrey kennengelernt habe und mein Magen zieht sich zusammen. Doch anstatt mich abzuwenden, zwinge ich mich, zurückzulächeln, bevor ich die Zahlenkombination an meinem Fach eintippe.
    »Erster Tag?«, fragt sie und will offenbar ein Gespräch beginnen. Ich blicke zu ihr
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