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Die Frucht des Bösen

Die Frucht des Bösen

Titel: Die Frucht des Bösen
Autoren: Lisa Gardner
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zugegangen zu sein.» Alex zeigte auf den Boden, der über und über mit Blutspuren, Spritzern und Pfützen befleckt war, allesamt markiert von gelben Beweismittelschildchen. «Ich vermute, den Jungen traf es zuerst.»
    «Woraus schließen Sie das?»
    «Er hat eine einzige Verletzung, und die war tödlich. Sehen Sie sich das Bett an.»
    Erst jetzt bemerkte D. D., dass die Tagesdecke nicht wirklich violett war, sondern eigentlich dunkelrosa, jetzt aber von Blut durchtränkt. An der Kopfwand dahinter zeichnete sich ein hoher Bogen roter Spritzer ab.
    «Die Kinder wussten wohl, was auf sie zukam», sagte Alex, sanfter jetzt und weniger akademisch. «Aber es gibt hier keinen Schrank, in dem sie sich hätten verkriechen können. Sie kauerten dort in der Ecke, Bruder und Schwester, eng beieinander. Der Täter kam zur Tür rein. Er muss inzwischen ziemlich schauerlich ausgesehen haben, so voller Blut nach den ersten beiden Morden. Die Kinder standen neben dem Bett, Schulter an Schulter.
    Dann, so glaube ich, hat der Junge versucht abzuhauen», fuhr Alex fort. «Um dem Vater auszuweichen, ist er wohl aufs Bett gesprungen. Was ihm aber nicht viel genützt hat. Der Vater erwischte ihn mit der Klinge am Hals. Das Mädchen hat wahrscheinlich geschrien, blieb aber nicht etwa wie angewurzelt in der Ecke stehen – und das ist das Interessante. Angesichts dessen, was da unmittelbar vor ihren Augen passierte, hätte jeder andere …»
    Alex stockte und räusperte sich. «Das Mädchen ist jedenfalls aufgesprungen. Sie hat die einzige Gelegenheit, die sie hatte, genutzt und ist zur Tür gerannt, wurde aber hier, genau an der Stelle, aufgehalten.» Alex zeigte mit seinem Bleistift auf einen kreisrunden Schmierfleck. «Ich schätze, der Täter hat auf ihren Nacken gezielt, traf aber nur die Schulter. Sie ist zu Boden gegangen – daher rührt der Fleck –, konnte sich aber wieder aufrappeln und rannte weiter, um ihr Leben – im wahrsten Sinne des Wortes. Doch kurz vor der Haustür hat er sie –»
    «Abgefangen», ergänzte D. D. und legte eine kurze Pause ein. «Aber getötet hat er sie nicht, sondern weggeschleift, nicht wahr?»
    Alex zuckte mit den Achseln. «Wer weiß? Sie ist die Letzte, und er hat sie in seiner Gewalt. Vielleicht glaubte er, nun nicht mehr in Eile sein zu müssen. Kann aber auch sein, dass er sie noch quälen wollte, zur Strafe dafür, dass sie ausgebüxt ist.»
    «Sexueller Übergriff?», fragte D. D.
    «Das müssen Sie den Pathologen fragen. Sie war jedenfalls angezogen.»
    «Und Sie glauben, es war die Stieftochter?»
    «Ihrer Mutter wie aus dem Gesicht geschnitten, aber keinerlei Ähnlichkeit mit dem Vater.»
    «Es könnte also sein, dass sein Motiv von Anfang an sexueller Natur war. Er fühlte sich zu ihr hingezogen, wollte sie für sich allein –»
    Alex schaute sie an.
    «Kommen Sie, ich zeige Ihnen den Rest.»
     
    Nach hinten hinaus ging es in einen mit Fliegengittern verspannten Vorbau, in dem sich, geschützt vor Mücken, Sommerabende angenehm verbringen ließen. Hier waren offenbar noch keine Renovierungsarbeiten vorgenommen worden. Einige Fliegengitter hingen in Fetzen herab, und der Linoleumboden hob sich an den Rändern. Auch hier gab es Blutspuren, und auf dem einzigen Möbelstück, einem durchgelegenen Futon, hatte der Vater nach Auskunft von Alex seine Familie aufgebahrt.
    «Seite an Seite. Von links nach rechts: die Mom, dann den älteren Sohn, dann die Tochter und schließlich den Jüngsten.»
    Über der blutdurchtränkten Matratze schwirrten zahllose Fliegen.
    «Die Leichen sind in der Pathologie?», fragte D. D.
    «Ja. Wegen der Hitze und all der Fliegen musste es schnell gehen.»
    «Habe ich richtig verstanden, dass die Tochter hier draußen getötet wurde?»
    «Hier, auf dem Futon, glaube ich. Aber das wird noch genauer zu untersuchen sein. Allem Anschein nach hat er sie hierher geschleppt und erwürgt. Kräftig genug war er ja. Es wird nicht lange gedauert haben.»
    «Und dann hat er die anderen Leichen hergeschafft?»
    «Ja, in dieser Reihenfolge, nehme ich zumindest an.»
    D. D. war skeptisch. «Wenn er drei Leichen hierher geschleppt hat, müsste dann nicht viel mehr Blut zu sehen sein?»
    Alex zuckte mit den Achseln. «Auch das muss noch im Einzelnen geklärt werden. Ich gehe jedenfalls vorläufig davon aus, dass sie bereits ausgeblutet waren.»
    D. D. krauste die Stirn. «Ich kapier das nicht. Dieser Kerl schlachtet seine Familie ab und bahrt am Ende Frau und Kinder
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