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Die Friesenrose

Die Friesenrose

Titel: Die Friesenrose
Autoren: Jutta Oltmanns
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Schweißtropfen auf seine Stirn.
    Langsam hob er den Kopf. „Sie haben Recht. Ich kann nicht noch mehr Ungerechtigkeit verantworten. Ich besitze nicht genügend Mut, um offen gegen unsere Besatzer zu revoltieren, doch die Schuld an dem, was sie Ihnen antun wollen, werde ich nicht auf mich laden.“
    Angestrengt runzelte er die Stirn. „Es klingt nicht so, als ob die Soldaten gleich aufbrechen würden. Hören Sie gut zu, wir werden es folgendermaßen machen: Sie gehen jetzt in Ihre Schlafkammer und packen Ihr Bündel. Dagegen wird niemand etwas einwenden, denn die Soldaten können Sie ja wohl kaum im Nachthemd mitnehmen. Das Zimmer besitztdoch sicherlich ein Fenster? Nutzen Sie es! Ich verschaffe Ihnen so viel Zeit wie möglich. Wir können nur hoffen, dass die Soldaten noch etwas länger trinken und uns in Ruhe lassen. Und hier“, er fasste in seine Uniformtasche und zog etwas heraus, „vielleicht hilft Ihnen das.“
    Inken maß den Holländer mit einem fassungslosen Blick. Doch dann stahl sich ein Hoffnungsschimmer auf ihr Gesicht. Zögernd griff sie nach den Papieren in seiner Hand. „Was ist das?“
    „Die Ausweise der drei gefassten Teeschmuggler. Nur ich habe die Dokumente gesehen, denn Namen interessieren die Franzosen nicht. Morgen werden die Soldaten nach einem rothaarigen Mädchen suchen. Sie sollten Ihre Identität ändern. Vielleicht können diese Ausweise Ihnen dabei helfen. Versuchen Sie, von der Insel zu kommen, und das so schnell wie möglich.“
    Inken sprang auf. „Kommen Sie mit mir, Holländer!“
    Der Soldat machte eine verneinende Geste. „Fliehen Sie ins Moor. Die Franzosen fürchten sich vor den ,Wilden‘, die dort wohnen und vor der Unheimlichkeit des Ortes. Sie meiden die Gegend wie die Pest. Und um einer einzelnen Frau willen werden sie keine Soldaten dorthin schicken.“
    Inken blieb vor dem Holländer stehen, in dem sie einen Freund gefunden zu haben glaubte. Einen Herzschlag lang blickten sich der Soldat und die junge Frau in die Augen, dann wandte Inken sich ab. An der Tür blieb sie nochmals stehen.
    „Es ist nie zu spät, seine Meinung zu ändern. Eine neue Zeit wird anbrechen, glaub mir. Zieh die Uniform aus und verbrenn sie. Der Wal hat die längste Zeit zugeschlagen.“
    Inkens Herz schlug einen wilden Rhythmus. In fiebriger Hastriss sie die Schranktür auf und raffte einige Kleidungsstücke zusammen.
    Sie hatte gerade das Fenster geöffnet, als ein Geräusch sie herumfahren ließ. Der Holländer stand mit entschlossenem Gesicht im Türrahmen. Er warf seine Uniformjacke in die äußerste Ecke des Zimmers.
    „Ich will nicht weiter ein Knecht Napoleons sein. Wenn ein Mädchen wie du den Mut hat, sich gegen die Franzosen zu stellen, kann ich kein Feigling bleiben!“
    Inken nickte strahlend, doch dann legte sie einen Finger an die Lippen. „Leise! Ich glaube, die Franzosen werden unruhig. Wir müssen hier weg, und das möglichst schnell.“ Sie winkte ihn zu sich heran. „Wir werden in die Dünen fliehen.“
    Im gleichen Moment drang aufgeregtes Stimmengewirr an ihr Ohr. Der Holländer erbleichte. „Mein Gott, sie haben entdeckt, dass die Wohnstube leer ist. Wir müssen uns beeilen.“
    Inken sprang behände vom Fenstersims und reichte dem Holländer die Hand. Im selben Augenblick ging die Tür auf.
    Der Franzose erfasste mit einem Blick die Lage. „Bleiben Sie stehen. Das ist ein Befehl!“
    „Sie haben mir nichts mehr zu befehlen.“ Stolz klang in den Worten des Deserteurs mit. Er wandte sich an Inken. „Schnell, lauf, warte nicht auf mich!“
    „Sie werden beide stehen bleiben, oder ich schieße!“ Der Anführer maß den Holländer mit eindringlichem Blick.
    „Lauf!“, brüllte der Holländer Inken zu, „versteck dich!“
    Ein weiterer Franzose kam ins Zimmer und rannte auf das Fenster zu.
    „Wie ich schon sagte: Den Holländern kann man nicht trauen. Sie sind keinen Deut besser als diese Wilden, diese Ostfriesen.“ Er spie das Wort ,Ostfriesen‘ wie ein Stück Dreck aus.
    „Schnapp sie dir!“ Der Befehlshaber wies mit dem Kopf in Inkens Richtung. „Ich werde derweil mit diesem Deserteur abrechnen.“
    Inken verstand die Worte des Mannes nicht, doch sie wusste instinktiv, was er vorhatte. Ihr „Nein“ ging im Schuss der Pistole unter. Inken spürte, wie die Hand des Holländers erschlaffte. Blut tropfte auf den Boden.
    Für einen Augenblick war Inken wie gelähmt, doch dann rannte sie los, ohne sich noch einmal umzudrehen. Vorbei an den Fischerkaten,
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