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Die Frau im gepunkteten Kleid

Die Frau im gepunkteten Kleid

Titel: Die Frau im gepunkteten Kleid Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Beryl Bainbridge
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zündete sich eine Zigarette an. Er stand breitbeinig vor ihr und blickte ihr prüfend ins Gesicht. Seine Hose war nicht richtig zugeknöpft, der oberste Knopf stand offen.
    »Warum sollte Harold Ihnen helfen, wenn Sie nicht zusammen sind?«, fragte er beharrlich weiter.
    Der gab nicht auf, das merkte sie schon. Dr. Wheeler hatte immer die Meinung vertreten, wer unbedingt eine Antwort will, wagt sich auch in die drohende Dunkelheit. Napoleon war ein Beispiel dafür, aber sie erinnerte sich nicht mehr, warum.
    Sie sagte: »Als Kind habe ich einen Mann kennengelernt, der mir half, erwachsen zu werden.«
    »Was heißt das?«

    »Er nahm mir die Dinge ab, die mich niedergedrückt haben.«
    »Welche Dinge?«, fragte Silver nüchtern und ließ sich neben ihr auf der Stufe nieder.
    Vom Hof drang stotterndes Hufgetrappel herauf, die Reiter kehrten heim. Die schwarze Frau kam aus den Ställen und half Harold absitzen. Wütend blickte er zu Rose hinüber. »Wo zum Henker bist du hingeritten?« , rief er.
    Sie achtete nicht auf ihn und lief zu Fury. »Ihrer Frau geht es nicht gut«, platzte sie heraus. »Sie weint.« Fury schaute zu Silver, der nickte und zeigte auf die Seite des Hauses. Harold packte Rose und schüttelte sie. Wieder fragte er sie, wo sie hingeritten sei. »Begreifst du nicht, wonach das aussah?«, wetterte er. »Du hättest bewusstlos irgendwo liegen können!«
    »War aber nicht so«, versetzte sie und beäugte seine sonnenverbrannte Nase, »es war nicht meine Schuld, dass das Pferd müde wurde.« Wieder hätte er sie geschüttelt, wenn Silver nicht dazwischengetreten wäre; er packte Harold am Ellbogen und schob ihn die Stufen hinauf.
    Sie lungerte im Hof herum und dachte daran, was Dr. Wheeler ihr zum Thema Konfrontation beigebracht hatte, besonders, wenn man im Unrecht war. »Lerne vergessen«, hatte er ihr geraten, »erst recht, wenn es ernst ist.« Sie stand da, die Sonne brannte ihr auf den Kopf, und sie stellte sich vor, wie es sein
würde, wenn sie wieder zusammen waren. Würde er noch genauso aussehen? Sie streichelte das Foto in ihrer Tasche, jenes Foto vom Bahnhof Charing Cross von dem Tag, als er sie verlassen hatte. Sie würden sich die Hand geben, keinen Kuss. Sie würde ihr gepunktetes Kleid tragen, obwohl sie nicht glaubte, dass er sie jemals in etwas anderem gesehen hatte als in Hose und Regenmantel … Dabei war sie geblieben, weil er gesagt hatte, das stehe ihr gut. Die Hose war neu, aber der Regenmantel war noch derselbe. Einmal, vor Jahren, hatte sie versucht, ihre Lippen auf seine Wange zu drücken, und er hatte sie weggeschoben, nicht grob, aber entschieden. Er hatte nichts gesagt, aber sie hatte gemerkt, dass sie das nicht noch einmal versuchen durfte, nie wieder. Sie würde Kleid und Regenmantel tragen … für den Fall, dass seine Miene Missbilligung verriet.
    Fury kam in den Hof, den Arm um Philopsona gelegt; sie schluchzte nicht mehr. Keiner der beiden blickte Rose an, während sie den Hof Richtung Treppe überquerten. Sie blieb, wo sie war, mit dem Rücken zum Haus, die Finger noch immer auf dem Foto, bis Mr Silver vom Fenster rief, Harold sei jetzt besser gelaunt, sie solle hochkommen.
    Auf dem Tisch standen drei Weinflaschen, zwei davon leer, und eine Packung Zigaretten lag neben einem silbernen Feuerzeug. Es gab keine Gläser, nur Teetassen. Harold saß mit geschlossenen Augen zusammengesackt auf seinem Stuhl. Philopsona war nicht
da, auch nicht die alte Mutter, nur das Wollkaninchen, dessen Glasaugen im Sonnenlicht aufflammten. Fury und Silver sprachen über einen Mann, der ermordet worden war. Viele Menschen seien bestürzt. Silver behauptete, der Tote sei nicht das primäre Ziel der Verschwörung gewesen; die wollten hauptsächlich Unruhe erzeugen. Die Hautfarbe, befand er, habe eigentlich keine Rolle gespielt.
    »Wir haben das in der Schule gelernt«, unterbrach ihn Rose. »Beim ersten Versuch klappte es nicht, und der Kerl, der geschossen hatte, gab auf und setzte sich an den Straßenrand.«
    Sie starrten sie an. Sie glaubte, die beiden wären beeindruckt von ihren Geschichtskenntnissen.
    »Wegen einer Massenkarambolage kam das Auto zurück, und die nächsten Schüsse trafen – auch die Frau. Sie waren Erzherzöge. Der Papst wurde ohnmächtig, als er die Nachricht erhielt. Es stellte sich heraus, dass hinter dem Mörder eine Geheimgesellschaft namens Die Schwarze Hand stand.«
    Silver kicherte. Er holte eine Tasse und schenkte ihr Wein ein. Fury erhob sich und sagte, er

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