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Die Frau, für die ich den Computer erfand

Die Frau, für die ich den Computer erfand

Titel: Die Frau, für die ich den Computer erfand
Autoren: Friedrich Christian Delius
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man uns zurückgebombt in die Zeit der Vulkane, und das mit Hilfe der tollsten Computer   … Na ja, Tatsache ist, die Amerikaner haben hier oben besonders fleißig aufgepasst und gehorcht, und die Russen und ihre Freunde auf der anderen Seite auch. Es gab auf dem Point-Alpha-Gelände einen amerikanischen Turm, und gegenüber einen der DDR, Auge in Auge sozusagen. Ich habe, viel niedriger natürlich, auf dem Aussichtsturm gestanden und zugesehen, wie sich die Feinde bewacht und belauert haben, man roch das fast in der Luft, wie sie sich gegenseitig abgehört haben. Ich stand mitten auf einem Schlachtfeld, verstehen Sie? Ich hatte keine Bataillone hinter mir, im Gegenteil. Ich fühlte mich von Feinden umstellt, es war ja die Zeit des Übergangs, die staatliche Förderung ging an die Großindustrie, die Software wurde zu teuer, die Banken hatten mir nicht mehr helfen wollen. Die Konkurrenz freute sich über die fette Beute, die ich ihnen bot, ich hatteverkaufen müssen, viel zu billig ist alles am Ende verscherbelt worden. Diesen Schock hatte ich noch nicht verwunden, und dann fielen mir auch noch die deutschen Richter in den Rücken. Nach sechsundzwanzig Jahren Urteilsfindung. Eine schöne Urteilserfindungshöhe, oder? Auch gegen mich wurde ein kalter Krieg geführt, das war sonnenklar   … Was ich sagen wollte, ich bin wirklich kein Selbstmordkandidat, schon gar nicht als Familienvater, aber ich musste doch etwas streng mit mir werden: Nein, du stürzt dich jetzt nicht diesen Turm hinunter! Nein, du rennst jetzt nicht an den Bundesgrenzschützern vorbei zum Zaun und lässt dich von den Ostzonen-Soldaten umbringen oder von ihren Minen! Nein, du dringst jetzt nicht bei den Amis ein und lässt dich erschießen oder verhaften, nur aus Wut über einen amerikanischen Konzern, nein! Und du fährst auch nicht gegen einen Baum, nein, heute nicht!   … Und dann hab ich, den Blick auf den weiten Himmel und auf die Wälder der Ostzone, plötzlich Ada gehört. Beruhige dich, hat sie gesagt. Selbst wenn IBM gewittert hat, dass du deren Laden hättest aufmischen können, wenn du dein Patent bekommen hättest, unser Patent   … Ja, aufmischen, ich bin ziemlich sicher, dass sie aufmischen gesagt hat, sie hat immer Umgangsdeutsch mit mir gesprochen, so wie ich mit Ihnen   … Und selbst wenn die, hat Ada gesagt, an dieser Entscheidung mitgedreht haben, mehr als erlaubt mitgedreht haben, vergiss eins nicht: Du hastden Prozess verloren, weil ihr den Krieg verloren habt, so einfach ist das. Beschwer dich bei eurem Hitler. Und dass du heute als freier Mensch vor den Gerichten überhaupt klagen kannst, das verdankst du den Amis, die hier stehen und deine Freiheit schützen, und das verdankst du ganz nebenbei auch mir und meinen Briten. Beruhige dich! Ich bleibe deine Alliierte, aber nur, wenn du aufhörst zu jammern und zu klagen! Und wenn du hier sentimental wirst an der Grenze, an eurer hübschen Narbe, dann beschwer dich ebenfalls bei dem Herrn im Führerhauptquartier   … So trocken, so deutlich konnte sie sein, und sie hatte ja recht damit. Es war trotzdem nicht leicht, das einzusehen und zu verarbeiten   … Mit dem mühseligen Schreiben der Erinnerungen und mit der Malerei. Verarbeiten mit dem vollen Risiko der Blamage, nebenbei, ein Maler wird von Computerleuten belächelt bestenfalls, und die Künstler sagen, der Alte soll bei seinem Leisten bleiben   …

(Schneller, höher, weiter)
     
     
     
    Genug davon, ich will nicht über Fehler und Niederlagen reden, wer will denn in meinem Alter noch Zeit dafür verschwenden   … Tja, eine gute Frage, die Fehler der Zukunft   … Ich darf Ihnen verraten, dies ganze Schneller, Höher, Weiter, diese immerwährende Erfinderolympiade, dieser permanente Wettkampfder Technologien, das alles interessiert mich nicht mehr. Wie es weitergeht mit dem Computer, mit den Rechengeschwindigkeiten, den Datenmassen. Wann werden die Supercomputer eine Billion, hundert, neunhundertneunundneunzig Billionen Rechenoperationen pro Sekunde schaffen? Es ist mir herzlich wurscht. Oder diese schafsdummen Spekulationen, wann werden die Klone die Roboter begatten? Was halten Sie von Computern, die ins Gehirn operiert werden? Wie viele Jahre sind es noch bis zum ersten Computermenschen? Werden eher die Automaten Menschen oder die Menschen Automaten? Homunculus, ick hör dir trapsen   … Inzwischen kann ich mir leisten, einfach zu antworten: Die eigentliche Zukunftsfrage ist, ob und wann wir wieder
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