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Die Frau des Germanen

Die Frau des Germanen

Titel: Die Frau des Germanen
Autoren: Aufbau
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Schwert wurde mir gebracht«, sagte sie, und ihre Stimme war noch heller, noch klarer.
    »Von wem?«
    Wie gut es tat, dass die Angst ein Ende hatte! Dass Severinas Macht über sie in diesem Moment endlich gebrochen war! Auch
     der römische Kaiser, auch die mächtige Severina konnten nichts Schrecklicheres tun, als einem Menschen das Leben zu nehmen.
     Thusneldas Leben erfüllte sich mit dieser letzten Aufgabe. Die große Angst, die der Kaiser und seine Nichte wie eine Waffe
     in Händen hielten, gab es nicht mehr. Sie standen nun ohne diese Waffe da, ohne die Angst ihrer Sklavin, sie konnten ihr nichts
     mehr anhaben. Mit der Angst war es vorbei.
    »Ich werde ihn nicht verraten.«
    Kaiser Tiberius winkte so gleichmütig ab, als sei ihm gesagt worden, es habe nicht genug Flamingos gegeben, deren geröstete
     Beine er sich als Zwischenmahlzeit gewünscht hatte. »Werft sie mit den anderen Weibern dem Löwen zum Fraß vor.«
    »Moment!« Severina erhob sich und streckte die Hand aus. »Gib mir das Schwert«, sagte sie zu dem Wärter. »Es gehört meinem
     Sohn. Ihm steht es zu.«
    Alle Blicke gingen zu Silvanus. Jeder erwartete, dass er protestieren würde, aber er rührte sich nicht. Er schwieg und beobachtete
     Thusnelda sehr konzentriert.
    »Und lasst mich selbst die Strafe für diese Sklavin bestimmen«, ergänzte Severina, an den Kaiser gewandt. »Sie gehört mir.«
    Das Gesicht des Kaisers nahm einen interessierten Ausdruck an, wie es nur noch selten vorkam. Aufmerksam betrachtete er das
     Schwert, das Severina umklammerte, als sollte es ihr entrissen werden. »Was schlägst du vor?«
    »Lasst sie in der Arena anketten und den Sohn holen. Er soll |412| versuchen, sie vor dem Löwen zu beschützen. Versprecht ihm sein Leben, wenn es ihm gelingt.« In den Augen Severinas loderte
     ein Feuer, das auch diesmal von der Rache entfacht worden war. Noch immer war sie nicht gestillt worden, diese Rache schwelte
     nach wie vor in ihr. »Diesem aussichtslosen Kampf soll sie zusehen. Mit ihren eigenen Augen soll sie verfolgen, wie ihr Sohn
     zerfleischt wird.« Sie hob das Schwert, betrachtete es und reichte es dann Silvanus, der es zögernd entgegennahm. »Die schlimmste
     Strafe für eine Mutter!«, rief sie aus. »Thusnelda hat sie verdient.«
    Kaiser Tiberius gefiel dieser Vorschlag. »Ich bewundere dich für deine Phantasie, schöne Nichte! Auf dieses ungewöhnliche
     Schauspiel will ich nicht länger warten. Also holt noch vor der Hinrichtung der ungehorsamen Sklaven den blonden Gladiator
     in die Arena.«
    Erwartungsvolle Stille lag plötzlich auf den Rängen. Das Volk spürte, dass etwas anders war, dass der Kaiser eine ungewöhnliche
     Entscheidung getroffen hatte. Bisher hatten die Spiele immer mit den Hinrichtungen begonnen, die die Zuschauer mehr oder weniger
     gelangweilt verfolgten, während sie aßen, tranken und sich unterhielten. Nun sollte die Attraktion vorweggenommen werden.
     Das musste einen Grund haben.
    Thusnelda spürte nicht die Augen, die auf sie gerichtet waren, sah nicht die Gier darin. »Die schlimmste Strafe für eine Mutter!«
     Dieser Satz Severinas gellte in ihr. Sie hatte gedacht, im Tod könnte Severina ihr nichts mehr anhaben. Aber sie hatte sich
     getäuscht. Severina entschied sogar über das Sterben, über den Tod, über die höchste Qual. Denn bei aller Grausamkeit, zu
     der sie fähig war, war sie auch eine Mutter, die wusste, dass es noch etwas Schlimmeres gab als den Tod.
    Trotzdem war Thusnelda ruhig, als sie in die Arena geschleift wurde. Sie hatte sich in die Macht der schönen Severina ergeben.
     Gerade noch hatte sie geglaubt, dass die Macht mit dem Besiegen der Angst ein Ende hatte, aber es gab etwas, was schlimmer
     war als Angst. Und Severina wusste das.
    |413| Ein Pflock wurde eilig in die Erde gerammt, man band ihr die Arme auf den Rücken. Dann wurde das Seil fest um den Pfosten
     gewunden, so dass sie sich nicht bewegen konnte. Die Stimmen auf den Tribünen wurden nun wieder lauter, ein Löwe brüllte in
     ihrer Nähe, anscheinend trennte ihn nur noch ein leichtes Gitter von der Arena.
    Träge flossen die Gedanken durch ihren Kopf. Es war, als hätte sie die erste Schwelle zum Tod bereits überschritten. Ihr Leben
     hatte sich schon verlangsamt, es lief aus, würde bald versiegen. Angesichts der großen Gewalt war sie plötzlich nur noch zu
     kleinen Gedanken fähig. Wo mochte Hermut sein? Hatte er rechtzeitig die Flucht ergriffen? Oder musste er mit ansehen, was
    
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