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Die Frau am Tor (German Edition)

Die Frau am Tor (German Edition)

Titel: Die Frau am Tor (German Edition)
Autoren: Ben Worthmann
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probierte es immer und immer wieder, bis er endlich jemanden laut “verdammt” sagen hörte. Mit der Erkenntnis, dass es seine eigene Stimme war, die da sprach, kehrte auch die Bewegungsfähigkeit in seinen Körper zurück, was ihn zu dem Schluss veranlasste, dass der Traum ein Ende hatte – sofern es tatsächlich einer gewesen war. Dass die Türklingel unablässig weiter lärmte, schien jedenfalls dagegen zu sprechen.
    Er erhob sich vom Bett, nahm flüchtig wahr, dass er tatsächlich in Jeans und Polohemd steckte, streifte mit einem Blick den Wecker, der 16.30 Uhr anzeigte, schlüpfte in seine Schuhe und schlurfte auf etwas wackeligen Beinen zur Tür. Als er sie öffnete, sah er sich zwei Männern gegenüber. Der eine war hochgewachsen, schlank und kahlköpfig, der andere kaum mittelgroß und untersetzt und hatte volles blondes Haar. Beide trugen gedeckte Anzüge. Obschon sein Verstand nur mühsam seine Arbeit aufnahm und dabei noch weit unterhalb seines üblichen Leistungsniveaus blieb, reichte ihm der Anblick der Beiden für die Erkenntnis, dass dieser Besuch nichts Gutes bedeutete. Unwillkürlich musste er an die zwei Männer mit dem grauen Opel denken, die er aus dem Haus der Gerlachs hatte kommen sehen.
    “ Herr Kessler?”, sagte der Größere, der augenscheinlich auch der Ältere war und um die sechzig sein mochte. “Ich hoffe, Sie haben nichts dagegen, wenn wir mal kurz zu Ihnen hereinkommen.”
    Bevor er etwas sagen konnte, standen sie bereits in seinem Flur. Der Kleine schob mit seinem Hinterteil die Tür zu. Nahezu synchron griffen beide in ihre Brusttaschen, holten ihre Ausweise hervor, hielten sie ihm hin und nannten ihre Namen, die er aber schon deswegen nicht verstand, weil er gar nicht darauf achtete. Seine Aufnahmefähigkeit war voll und ganz damit ausgelastet, das eine entscheidende Wort zu verarbeiten - “Kriminalpolizei”.
    “ Bitte”, brachte er hervor und führte sie ins Wohnzimmer, wo er sich beeilte, die Jalousien hochzuziehen.
    “ Ich hoffe, wir haben Sie nicht bei Ihrem Mittagsschlaf gestört”, sagte der Große, nachdem sie sich gesetzt hatten. Er hatte einen sonoren, etwas heiseren Bariton mit schwachem Berliner Einschlag, und falls seine Anspielung mokant gemeint war, merkte man es ihr kaum an.
    “ Robert Kessler, der berühmte Reporter”, fuhr er fort und betrachtete zuerst ihn und dann seine Fingernägel. “Ich habe früher einiges von Ihnen gelesen, selbst unsereiner kam ja kaum daran vorbei. Hätte nie gedacht, dass ich Sie mal persönlich kennenlernen würde. Jetzt genießen Sie also nach all den Jahren in Hamburg und Gott weiß wo in der Welt Ihren Ruhestand hier in Berlin. Dabei ist er hier so dolle auch nicht, manchmal nervt diese Stadt einen so richtig. Meine Frau und ich überlegen ernsthaft, hier wegzuziehen, wenn ich nächstes Jahr in Pension gehe. Vielleicht sogar nach Hamburg.”
    “Dürfte ich mal kurz Ihre Toilette benutzen?”, meldete sich der Kleine, dessen Stimme etwas gequetscht klang, und stemmte sich aus seinem Sessel hoch.
    “ Herr Kessler, ich denke, wir sollten uns ein wenig unterhalten”, begann der andere wieder, nachdem sein Kollege aus dem Zimmer gegangen war, “und zwar über das, was Sie so in den letzten Tagen gemacht haben. Heute am Vormittag beispielsweise.”
    Los, Kessler, frag erstmal, um was es eigentlich geht, mahnte ihn sein Verstand, jene Instanz, auf die er sonst immer gehört und die ihn selten enttäuscht hatte. Doch statt dessen sank er noch tiefer in seinen Sessel und wiederholte nur tonlos:
    „ Sie meinen, was ich heute Morgen gemacht habe?“
    „ Exakt das meine ich. Aber wir können von mir aus auch anders anfangen“, sagte der große Mann gleichmütig. „Ich nehme an, der Name Eva Uhlenbrock sagt Ihnen etwas?“
    „ Ich...ja...natürlich. Wieso?“
    „ Nichts für ungut und nur der Form halber, aber die Fragen stellen wir. Wann haben Sie denn Frau Uhlenbrock zuletzt gesehen?“
    „ Das war...nun ja, es war heute Morgen.“ Er musste sich mehrmals räuspern, um seine Stimme zu finden.
    „ Und wie ging es ihr da, als Sie sie zuletzt gesehen haben?“
    Er versuchte zu antworten und sah sich vor einer kaum lösbaren Aufgabe.
    Der Kleine hatte inzwischen wieder in seinem Sessel Platz genommen, einen kurzen Blick mit seinem Kollegen getauscht und trommelte mit den Fingern der rechten Hand auf der Armlehne. Beide sagten eine Weile nichts, ließen nur ihre Blicke auf ihm ruhen, bis sich der Große schließlich dazu
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