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Die Fieberkurve

Die Fieberkurve

Titel: Die Fieberkurve
Autoren: Friedrich Glauser
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nur darum gemacht, um das langwierige Auslieferungsverfahren ein wenig abzukürzen – den Mörder womöglich gleich mitzunehmen, sobald die Bewilligung vom Ministerium in Paris angekommen ist. Nicht wahr?«
    Studers Gesicht drückte Trauer aus. Er nickte.
    Capitaine Lartigue aber begann:
    »Und ich dachte, Inspektor, Sie seien gekommen, um nach...«
    Die übrigen Worte waren nicht zu verstehen. Ein derart heftiger Hustenanfall zerriß Wachtmeister Studers Brust, immer wieder begann er von neuem – nichts nützte es, daß freundliche Hände ihm den Rücken beklopften, stöhnend konnte er schließlich hervorwürgen:
    »Ca... pi... taine... Sie... ha.... ben... wohl in Ihrer Apo... the... ke... ein Mi... mi... ttel...«
    »Aber natürlich, Inspektor, kommen Sie mit!«
    Pater Matthias blieb ziemlich erstaunt allein im Hofe stehen. Immer noch hustend warf Studer einen Blick zurück. Und da beneidete der Wachtmeister den Pater Matthias: der Weiße Vater besaß ein Bärtlein und einen Schnurrbart – zwei unentbehrliche Beruhigungsmittel bei eintretender Ratlosigkeit...
    Im Krankenzimmer verschluckte Studer schnell die Pille, die ihm der Capitaine gegeben hatte. Dann sagte er, leise und schnell:
    »Sagen Sie dem Pater nichts von der Fieberkurve!... Nichts von dem Schatz...« Studer blickte mißtrauisch zum kleinen Fenster hinaus, das mit einem feinmaschigen Drahtnetz überzogen war – er sah, daß Pater Matthias eilig näherkam, in zwei Sekunden schätzungsweise würde er den Raum betreten...
    »Sie haben gestern von einem Gericht gesprochen, das Sie einberufen könnten. Guter Gedanke. Tun Sie es heut nachmittag, klagen Sie mich der Spionage an...« Draußen hielt ein Mann den Pater an und obwohl Studer den Mann nicht kannte, war er ihm dankbar und versprach ihm in Gedanken einen Liter Wein... »Hören Sie zu! Capitaine! Kommen Sie näher!« Und Studer flüsterte eifrig und aufgeregt in Lartigues Ohr. Der Capitaine zeigte zuerst Erstaunen, dann nickte er, nickte eifrig... Die Tür wurde aufgestoßen, Pater Matthias betrat den Raum.
    Der Wachtmeister spielte seine Rolle ausgezeichnet. Er hielt den Atem an und preßte die Luft in seine Lungen, sein Kopf war rot. Keuchend schnappte er nach Luft.
    »Ich weiß«, sagte Pater Matthias, »ein ausgezeichnetes Mittel gegen solch chronische Hustenanfälle. Ich erinnere mich, daß Sie schon einmal in Bern einen derart heftigen Anfall gehabt haben. Sie müssen etwas dagegen tun. Was haben Sie unserem Inspektor verschrieben, Capitaine?«
    »Ich hab ihm ein Dowersches Pulver gegeben«, brummte der Capitaine und spielte den Mißmutigen. »Aber ich habe jetzt zu tun. Rapport, verstehen Sie? Um halb zwölf ist Mittagessen in der Offiziersmesse. Sie sind alle eingeladen...«
    Lartigue führte zwei Finger an seine Polizeimütze und verließ den Raum. Kaum aber hatte er das Krankenzimmer verlassen, fühlte auch der Wachtmeister das Bedürfnis, ins Freie zu gelangen.
    »Auf Wiedersehen, mon père«, sagte er. Er fühlte des Paters Blick auf seinem gerundeten Rücken, und das Gefühl war genau so unangenehm wie damals, als der Brigadier Beugnot ihn verfolgt hatte...

Die Verhaftung
    Es war genau wie gestern. Im größten der Höfe die Kompagnie Im Viereck... Die Baracken schienen es zu genießen, endlich einmal ausruhen zu dürfen von dem Lärm, der sonst stets in ihrem Innern tobte. Faul streckten sie sich in der Sonne, die hoch stand. Heiß waren ihre Strahlen, wie die einer schweizerischen Julisonne. An irgend etwas mußte man es fühlen, daß man in Afrika war...
    Studer durchstreifte die leeren Baracken. Rechts und links von einem Mittelgang lagen Matratzen nebeneinander, flach waren sie und gefüllt mit Alfagras. Die Luft roch streng nach kaltem Rauch und schmutziger Wäsche. Eine Baracke, zwei Baracken... Da war die Küche. Hier roch es nach Linsen und Schafragoût.
    Und dann war man glücklich wieder vor der Baracke angelangt, die so gar nicht den anderen Baracken glich. Da war das vergitterte Fenster. Studer stellte sich auf die Fußspitzen...
    Es war hell im Raum und der Mann, der auf dem Zementbett hockte, war gut zu erkennen: das war also der Hellseherkorporal, mit dessen Geschichte der ganze verkachelte Fall begonnen hatte. Ein gebeugter Mann, die Haare grau, das Gesicht scharf.
    Giovanni Collani oder Cleman Alois Victor?
    Bald, bald würde man Gewißheit haben.
    Und wieder, wie schon einmal, fuhr der Wachtmeister zusammen. Ganz in seiner Nähe bäkte ein Horn. Denn »blasen«
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