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Die Feuerkämpferin 02 - Tochter des Blutes

Titel: Die Feuerkämpferin 02 - Tochter des Blutes
Autoren: Licia Troisi
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auf wackligen Beinen. »Das Untier hat einen entsetzlichen Schrei ausgestoßen, ganz furchtbar schrill, dass mir das Blut in den Adern gefror. Einen Moment hab ich sogar überlegt, mit dem Saufen aufzuhören, so erschrocken war ich. Aber dann hab ich noch eine Halbe nachgegossen, und die hat die Angst vertrieben«, schloss er mit gröhlendem Lachen.
    Adhara wusste sofort, dass der Mann die Wahrheit sagte. Auch sie hatte den Lindwurm brüllen gehört und wusste, wie grauenhaft dieser Ruf klingen konnte. »Hast du gesehen, wohin er geflogen ist?«
    »Nach Westen«, antwortete der Säufer, »und wie der Blitz, als sei der Teufel hinter ihm her.« In Richtung des Landes des Windes also. »Wo jetzt wieder Krieg herrschen soll«, fügte der Mann noch hinzu.
    Das war ihr egal. Überallhin wäre sie gezogen, hätte jeder Gefahr getrotzt, nur um Amhal zur Umkehr zu bewegen.
    So hatte sie sich nach Westen gewandt und war vorsichtshalber nur durch Wälder gezogen. Dennoch war man ihr auf die Spur gekommen, und nun endete ihre Reise bereits in diesem engen Holzkabuff.
    Sie nahm den Kopf zwischen die Hände.
    Ich möchte weg hier , dachte sie. Aber sie hatte keinen Ort, an den sie hätte zurückkehren können.
     
    In diesem Moment kam das Gefährt zum Stehen. Adhara hörte, wie ein Schloss aufsprang und ein Riegel zurückgeschoben wurde. Langsam öffnete sich die Tür,
und das grelle Tageslicht erhellte den Innenraum. Ohne lange nachzudenken, handelte sie, überließ sich ihrem Instinkt und ihrem Verlangen nach Freiheit. Mit einem Satz warf sie sich auf den Mann, der die Tür aufgesperrt hatte, brachte ihn zu Fall, rappelte sich auf und rannte los. Doch sie kam nicht weit, einige Schritte nur, dann packte jemand sie am Knöchel. Sie stürzte und schlug hart mit dem Gesicht auf dem Boden auf. Einige Augenblicke lang war um sie herum nichts als ein dumpfer Schmerz.
    »Leicht aufgeben tust du ja nicht, Mädchen, das muss man dir lassen.«
    Die Stimme kam von einem Soldaten, dessen Gesicht nur einen Hauch von dem ihren entfernt war.
    »Aber wo willst du bloß hin? Da draußen findest du nur Tod und Verderben! Und wir bringen dich zu dem einzigen Menschen, der uns aus dieser Katastrophe retten kann. Andere würden töten, um solch eine Gelegenheit zu erhalten.«
    Adhara fletschte die Zähne. »Die Seuche kann mir nichts. Ich bin immun«, zischte sie und spuckte aus.
    Der Mann blickte sie zornerfüllt an, zog sie hoch und band ihr dann mit einem dicken Seil die Handgelenke zusammen. »Du hast es nicht anders gewollt«, knurrte er, als er sie wieder in den Karren verfrachtet und ihr auch noch die Füße gefesselt hatte. »Es ist nicht mehr weit, jetzt verhalte dich ruhig und mach uns keine Scherereien mehr.«
    Damit warf er die Tür zu und schob den Riegel vor. Adhara war wieder mit sich allein.
    In Neu-Enawar angekommen, ließen zwei Soldaten
sie aussteigen, nahmen ihr die Fesseln an den Füßen ab und führten sie in ihrer Mitte durch die gepflasterten Alleen der Stadt.
    Der Herbst hatte die Baumkronen in leuchtende, gelb-rote Farben getaucht, und in der Luft lag der durchdringende Geruch von verrottendem Laub. Das Einzige, was nicht zu diesem Naturschauspiel passen wollte, war die unwirkliche Stille, in die die Stadt gehüllt war. Eine Woche war erst vergangen, seit Adhara sich zuletzt in Neu-Enawar aufgehalten hatte, und doch war nun alles anders. Die Straßen waren fast menschenleer, und wer dennoch in den Gassen unterwegs war, presste sich ein mit Kräuterdüften getränktes Tuch auf Mund und Nase. Hin und wieder begegneten sie bizarren Gestalten in weiten Magiergewändern, die Masken mit spitzen Schnäbeln trugen. An allen größeren Kreuzungen und vor öffentlichen Gebäuden waren Soldaten oder bewaffnete Wachen postiert, und in den verborgensten Gassen erblickten sie hier und da Überlebende, die eine Infektion mit der Seuche überstanden hatten, einige fast unversehrt, andere mit völlig entstellten Gesichtern.
    Adhara war beherrscht von dem Gefühl, nicht dazuzugehören. Sie bewegte sich inmitten der anderen, von denen sie etwas Grundlegendes unterschied: Diese verschreckten Geschöpfe, die ängstlich zurückwichen, wenn sie vorüberkam, waren Lebende, waren aus einem Mutterschoß geboren worden, blickten auf eine Kindheit zurück, an die sie sich erinnern konnten, und wussten, wo ein Grab am Ende ihres Weges auf sie wartete. Doch sie selbst war nichts als totes Fleisch. Sie hatte weder Vater noch Mutter und noch nicht
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