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Die Farben der Freundschaft

Titel: Die Farben der Freundschaft
Autoren: Linzi Glass
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dahinschleppten. Als der Schultag endlich vorüber war, radelte ich, so schnell ich konnte, nach Hause und tauschte die Schuluniform gegen einen weißen Angorapulli und Cordhosen. Gerade wollte ich aus der Tür stürmen und mich auf den Weg zum Zoo Lake machen, um mich mit Johann zu treffen, da ging der Summer des Eingangstors.
    »Ich bin’s, Johann – lass mich rein – schnell!« Seine Stimme in der Sprechanlage klang gehetzt. Mit wild klopfendem Herzen wartete ich in der Einfahrt auf ihn. Im nächsten Augenblick kam sein Wagen mit quietschenden Reifen neben mir zum Stehen. Johann riss die Tür auf und sprang heraus. Er fasste mich bei den Armen, Panik stand in seinem Gesicht.
    »Wo ist dein Vater, Ruby?«, fragte er aufgeregt.
    »Im Büro. Du tust mir weh, Johann!«
    Er ließ mich los. »Ruf ihn an, schnell!«
    »Ich verstehe nicht …«
    »Hör zu!« Er schubste mich nahezu die Eingangsstufen hinauf, und ich hatte das Gefühl, mein Herz machte Sprünge wie ein Trapezkünstler auf einem Hochseil ohne Netz. »Mein Pa hat immer noch Verbindungen zu Die Broederbond , weil mein Großvater Mitglied bei ihnen war. Und Die Broederbond arbeitet eng mit der Sicherheitspolizei zusammen, ganz besonders, wenn es um politische Schädlinge geht, wie Pa das nennt.«
    Johann dirigierte mich zum Telefon in der Küche, sein Zeigefinger bohrte sich schmerzhaft in meinen Rücken.
    »Johann! Was willst du damit sagen?«
    Er nahm den Hörer ab und drückte ihn an mein Ohr.
    »Ruf deinen Vater an! Sofort! Sag ihm, sie wollen ihm auflauern, heute Abend, wenn er nach Hause geht. Wenn sie ihn kriegen, wird er nicht mal mehr eine Gefängniszelle von innen sehen!«
    »Johann!«
    »Jetzt ruf an!« Seine Augen funkelten.
    Ich hielt seinem Blick stand und wählte mit zitternden Fingern Vaters Geheimnummer, die nur Mutter, ich und seine politischen Kontaktleute aus dem Untergrund kannten.
    »Daddy, ich bin’s, Ruby.« Ich konnte kaum sprechen. »Ich soll dir von Johann etwas Dringendes sagen …« Ich holte tief Luft und versuchte, den Satz zu beenden, aber ich brachte kein Wort heraus.
    Johann nahm mir den Hörer aus der Hand.
    » Meneer , Sir, bitte hören Sie mir zu. Ihr Leben ist in Gefahr. Ich habe zufällig gehört, wie mein Vater gestern Abend am Telefon zu jemand gesagt hat, die kleine englische meisie , mit der sein Sohn sich immer trifft, wird bald ohne Vater sein. Ich hab sofort Ruby angerufen und mich für heute mit ihr verabredet, um ihr von dem Gespräch zu erzählen. Aber als ich vorhin von der Schule kam, lag mein Vater sturzbetrunken auf dem Sofa, er hat gelacht und gesagt, ich sei ein Narr, mich in die Tochter eines politischen Unruhestifters zu verlieben, und er sei froh, dass er mir den Umgang mit ihr verboten habe. Dann lachte er noch dreckiger und sagte, die Leute vom Broederbund würden diesen »kaffernfreundlichen« Anwalt noch heute Abend töten – bevor die von der Polizei überhaupt eine Chance hätten, ihn morgen zu verhaften …«
    Mein Vater musste darauf etwas gesagt haben, weil Johann seinen Redeschwall für einen Moment unterbrach und den Kopf schüttelte.
    »Sir, ich bin gekommen, weil ich Ihnen sagen will: Gehen Sie weg hier! Die Zeit drängt, und ich habe Angst um Sie. Ich flehe Sie an …«
    Ich ließ meinen Blick durch die Küche wandern. Die alten Kupfertöpfe an der Wand, die wie schimmernde Laternen nebeneinander aufgereiht waren; Mutter und ich hatten sie vor zwei Jahren aufgehängt. Sie waren das Geschenk einer lesbischen Künstlerin, zum Dank dafür, dass Mutter ihre sexuell ausgesprochen freizügigen Bilder, die keine andere Galerie zeigen wollte, ausgestellt hatte. In jeden der Töpfe war ein Wort eingraviert, das ausdrückte, wie sie Mutter sah . Radikal. Mutig. Beherzt. Attraktiv. Gesetzesbrecherin.
    Nun wurden die rassistischen Gesetze, die meine Eltern gebrochen hatten, zu Waffen, die Vater umbringen konnten.
    »Danke, Sir. Es war mir eine Freude, Sie kennengelernt zu haben.«
    Johann gab mir den Hörer zurück und legte den Arm um mich. Halt suchend lehnte ich mich an ihn.
    »Daddy?«, flüsterte ich.
    »Hör zu, Ruby.« Seine Stimme klang ruhig, aber ich spürte die Anspannung hinter seinen Worten. »Pack ein, was du kannst, aber nicht zu viel.« Vater holte tief Luft, ehe er weitersprach. »Ich wusste, dass sie kommen werden, aber ich dachte, ich hätte mehr Zeit.«
    »Und Mutter?«, fragte ich mit wachsender Angst.
    »Ich rufe sie gleich an. Fang schon an zu packen. Ich bin in ein paar
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