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Die Farbe der See (German Edition)

Die Farbe der See (German Edition)

Titel: Die Farbe der See (German Edition)
Autoren: Jan von der Bank
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Das Einzige, was sie jetzt noch versuchen konnten, war, die Sache ein wenig hinauszuzögern. Und verzweifelt auf ein Wunder zu hoffen.
    Darauf vielleicht, dass Richard ein Fehler unterlief. Dass er vielleicht, so unwahrscheinlich das auch klang, im Eifer der Verfolgung eine Untiefe oder Klippe übersah und sich wenigstens ein Ruderblatt verbiegen oder einen Schraubenflügel daran abreißen würde. Und ihnen damit zumindest eine minimale Chance gab.
    Vielleicht konnten sie ihrem Glück diesbezüglich unter die Arme greifen?
    Ole nahm die Seekarte, die zwischen ihnen auf der Cockpitbank lag, und starrte angestrengt darauf. Der Väderöfjord zwischen Storö und der Insel Ärholm, auf den sie bisher zugehalten hatten, war tief und rein. Hier gab es überhaupt keine Untiefen. Wenn, dann schon eher im Norden oder Nordwesten von Storö.
    »Schoten fieren!«, rief er Lina zu. »Wir müssen abfallen!«
    Auf raumem Kurs ließen sie die Südspitze von Storö dicht an ihrer rechten Seite. Der Wind hatte mit dem aufkommenden Tageslicht noch eine Schippe draufgepackt. Jetzt wehte er mit sechs Beaufort, und eigentlich war es Wahnsinn, bei diesem Wind noch immer die volle Besegelung zu fahren.
    Auch hier, westlich von Storö, war die See mit einzelnen Klippen und Felsbrocken gespickt, deren schwarze Köpfe gerade eben aus dem Wasser lugten. Wenn sie nicht höllisch aufpassten, würden am Ende sie diejenigen sein, die auf Grund gingen.
    Wo war Richard? Ole drehte sich nach hinten, um ihre Verfolger zu suchen. Sie hatten die Kursänderung der Lotten zur Kenntnis genommen und ebenfalls um zehn Grad nach backbord gedreht.
    »Vorsicht!«, schrie Lina in diesem Augenblick.
    Ole fuhr herum. Direkt voraus lag ein schaumiger Strudel, der nur von einem Felsen unter der Oberfläche verursacht werden konnte.
    »Festhalten!«
    Ole riss die Pinne an sich.
    Die Lotten fiel mit einem einzigen, gewaltigen Ruck ab und legte sich dabei bedrohlich auf die Seite. Und zwar so, dass der Mast mit beinahe 45 Grad nach Luv krängte anstatt nach Lee. Unten schwappte bereits das Wasser über das Cockpitsüll und der Großbaum auf der anderen Seite stand hoch in die Luft.
    Lina musste sich oben an die Winsch klammern, um nicht nach unten zu rutschen und außenbords zu gehen. Wenn der Baum jetzt überkommt, dachte Ole, und wir eine Patenthalse hinlegen, ist der Mast ab. So sicher wie Luv etwas anderes als Lee war!
    Hastig versuchte Ole eine Steuerbewegung in die andere Richtung, aber durch die starke Krängung war das Ruderblatt wirkungslos. Strömungsabriss! Ihr ungewollter kritischer Balanceakt hielt noch einen ganzen Moment lang an, dann richtete sich das brave Schiff wieder auf, und sehr viel behutsamer brachte Ole es auf den alten Kurs zurück.
    Das haarige Ausweichmanöver hatte zusätzlich Zeit gekostet. Aber auch so war zwei Minuten später klar, dass sie es nicht mehr weit schaffen würden.
    Mit fauchenden Motoren, einen giftgelben Abgasschweif hinter sich herziehend, beschrieb das Schnellboot einen weiten Linksbogen übers offene Wasser und umsteuerte so mit voller Geschwindigkeit alle dichter zum Land hin liegenden Untiefen, die der Lotten gerade zu schaffen machten. Die Absicht war klar: Richard wollte ihnen am Eingang des Torsöfjordes, also zwischen den Inseln Torsö und Storö, den Weg abschneiden.
    Ole fluchte. Richard war Segler und wusste genau, wie er Oles Möglichkeiten einzuschätzen hatte. Geradeaus und nach Backbord hin kontrollierte das Schnellboot das Geschehen. Zurück nach Südosten konnte Ole nur ausweichen, wenn er hoch an den Wind gehen und Kreuzschläge in Kauf nehmen würde. Und nach rechts, in östlicher und nordöstlicher Richtung, lag im Halbkreis einer kleinen Bucht die felsige Küste von Storö.
    Sie saßen so gut wie in der Falle!
    Lina sah Ole fragend an und verstand. Mit grimmigem Blick stand sie auf und ging unter Deck. Einen Moment später kehrte sie mit der Pistole in der Hand ins Cockpit zurück und prüfte das Magazin.
    »Ich frage mich, wie wir so dämlich sein konnten, die beiden Maschinenpistolen auf Käringön zu lassen?«
    Mit einer beinahe ärgerlichen Handbewegung lud sie die Waffe durch und legte sie auf den Cockpitboden.
    Sie hatte recht. Das hier war nicht gerade die Backbordbatterie von Admiral Nelson, wenn man es mit einem doppelläufigen 20-Millimeter-Flugabwehrgeschütz zu tun bekam.
    Richard musste sie nur einfach tiefer in die Bucht drängen, dachte Ole bitter, dann konnte er sie als
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