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Die Familie Willy Brandt (German Edition)

Die Familie Willy Brandt (German Edition)

Titel: Die Familie Willy Brandt (German Edition)
Autoren: Torsten Körner
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worden wäre. Erst die Dissertation von Gertrud Lenz, die unter dem Titel »Gertrud Meyer. Ein politisches Leben im Schatten Willy Brandts« jüngst erschienen ist, hat diese ungewöhnliche und mutige Frau aus dem Abseits des macht- und männerzentrierten Blicks geholt und ihren Lebensweg beleuchtet. Um die Beziehungs- und Familiengeschichte der Brandts besser verstehen zu können, ist ein Blick auf diese Frau und ihr Zusammenleben mit Willy Brandt wertvoll.
    Gertrud Meyer wurde 1914 in Lübeck geboren, wo sie Brandt kennenlernte, als sich beide für die Sozialistische Arbeiter-Partei (SAP) engagierten. Brandt hatte sich dieser im Herbst 1931 gegründeten linkssozialistischen Splitterpartei im Oktober 1931 angeschlossen und die SPD verlassen, weil er den Parlamentarismus der Weimarer Republik für verrottet hielt – eine Räterepublik war das Ziel. Während sich Brandt im Exil unter dem Eindruck des skandinavischen Sozialismus, der pragmatisch über Parteigrenzen hinweg den Konsens suchte, und des schwedischen Sozialstaates, der echte demokratische Errungenschaften hervorbrachte, vom radikal-revolutionären Sozialisten zum demokratischen Reformsozialisten wandelte, hielt Gertrud Meyer auch nach dem Krieg an den politischen Idealen ihrer Jugend fest. Sie und Willy Brandt bildeten im Exil eine sozialistische »Kameradschaftsehe«, Brandt stellte sie als seine Frau vor, und sie wurde als Gertrud Brandt angesprochen. Sie unterstützte Brandts publizistische Produktivität finanziell, als kritisch anregende Leserin, aber auch durch ihr Geschick, die Manuskripte in eine professionelle Form zu bringen und zu verbreiten. Eine böse Untertreibung wäre es deshalb, sie als fleißiges »Maschinenfräulein«, als emsige Sekretärin an seiner Seite zu betrachten. Vor allem war es sie, die die SAP-Zelle in Oslo zusammenhielt, Kontakte pflegte und Brandt half, seinen Kampfnamen Willy Brandt in Exilkreisen bekannt zu machen. Sie unterstützte ihn 1936, als er als Kurier nach Berlin ging, und sie selbst riskierte ihr Leben mehrfach, als sie wiederholt ins nationalsozialistische Deutschland reiste, um dort Widerstandsarbeit zu organisieren. Als sie 1939 mit dem Psychoanalytiker Wilhelm Reich nach New York übersiedelt, um dort an seiner Seite zu arbeiten, bedeutete das nach ihrem Verständnis keineswegs das Ende der Beziehung zu Brandt, der ihr folgen sollte. Auch von New York aus organisierte sie Unterstützung für die SAP in Oslo, kümmerte sich um die Verbreitung von Brandts Büchern und hoffte darauf, dass sich ihre Lebensgemeinschaft fortsetzen ließe. Dass ihr Gefährte sich mittlerweile mit Carlota Thorkildssen verbunden hatte und 1940 ihre gemeinsame Tochter Ninja zur Welt kam, erfuhr sie 1942 erst durch Dritte, woraufhin sie den Kontakt zu Brandt erst einmal enttäuscht abbrach. Nach Kriegsende nahm sie die Korrespondenz zu ihm wieder auf, nachdem sie davon Kenntnis bekommen hatte, dass Carlota und Willy Brandt sich getrennt hatten. Sie glaubt in erster Linie, dass die Politik diese Beziehung zerrieben habe, und weil sie Brandt für eine politische Ausnahmegestalt hält, meint sie, in seinem Falle müsse das Private hinter dem Politischen zurückstehen. Sie schreibt am 10. Oktober 1945: »Ich weiß, dass Du Dich persönlich ziemlich schlecht fühlst. Ich weiß sehr wohl, dass Du viel von Deinem privaten Leben für die Sache aufs Spiel setzt. Du bist auch kein Normalmensch.« Was sie aber nicht weiß und auch nicht von Brandt erfährt, ist, dass er bereits mit Rut liiert ist. Brandt scheut sich, Farbe zu bekennen, offen einzugestehen, dass er für sie beide keine Zukunft sieht. Vielleicht fehlt ihm dazu auch der Mut, weil Gertrud Meyer anklingen lässt, dass sie sich durchaus eine neue Partnerschaft mit ihm vorstellen kann, ja insgeheim wünschen mag, da sie recht allein in der Welt steht und nach den Jahren ruheloser Aktivität eine Familie gründen will. Doch sein Angebot, sie an der Norwegischen Militärmission in Berlin unterzubringen, wo er ab dem 17. Januar 1947 eine Stelle als Presseattaché antritt, lehnt sie ab. In emotionalen Angelegenheiten ist und bleibt Brandt wortkarg und konfliktscheu. Auch gegenüber der neun Jahre älteren Carlota Thorkildssen hatte er es lange Zeit nicht fertiggebracht, seine Beziehung zu Rut anzusprechen.
    Aber auch Rut hatte ihr Bündel aus Schuld- und Verlustgefühlen geschnürt und über die Schulter geworfen. Sie hatte 1942 in Stockholm den Eisenbahner Ole Olstadt Bergaust
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