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Die Familie ohne Namen

Die Familie ohne Namen

Titel: Die Familie ohne Namen
Autoren: Jules Verne
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den größten Theil der Insel eingenommen hatten, der reine Wahnsinn wäre. Wollten die Ueberlebenden sich noch retten, so konnte das nur dadurch geschehen, daß sie das rechte Ufer des Niagara zu erreichen suchten. Es blieb freilich fraglich, ob auch Herr de Vaudreuil sich noch auf den Füßen halten und Kraft genug haben würde, das Haus, wo seine Tochter ihn erwartete, zu erreichen und sich mit dieser einzuschiffen.
    Vincent Hodge bemühte sich, ihn mit sich fortzuziehen. In demselben Augenblicke wurde Herr de Vaudreuil von einer Kugel mitten in die Brust getroffen und konnte nur noch die Worte murmeln:
    »Meine Tochter!… Hodge!… Meine Tochter!«
    Johann, der herbeigeeilt war, hörte das.
    »Retten Sie Clary!« rief er Vincent Hodge zu.
    Bei diesem Ausruf stürzten sich wohl ein Dutzend Freiwilliger auf ihn. Sie hatten den Helden wiedererkannt. Welches Glück für sie, wenn sie sich des berühmten Johann ohne Namen bemächtigen und ihn lebendig in das Lager von Chippewa befördern konnten!
    Mit einer letzten Anstrengung streckte Johann zwei Freiwillige, die ihn schon packen wollten, nieder und verschwand inmitten einer Gewehrsalve, von der ihn keine Kugel traf.
    Der schwerverwundete Vincent Hodge dagegen wurde neben der Leiche des Herrn des Vaudreuil zum Gefangenen gemacht.
    Wohin wendete sich aber Johann ohne Namen? Kam ihm vielleicht der Gedanke, jetzt noch weiter zu leben, nachdem die besten Patrioten getödtet oder in die Hände der Königlichen gefallen waren?
    O nein – doch das letzte Wort des Herrn de Vaudreuil war ja der Name seiner Tochter gewesen…
    Da Vincent Hodge diese jetzt nicht mehr retten konnte, wollte er das thun, wollte sie zwingen, zu entfliehen, sie nach dem amerikanischen Ufer begleiten, und dann gedachte er zu seinen noch kämpfenden Gefährten zurückzukehren.
    Allein vor dem Hause stehend, horchte Clary auf das Getöse des Kampfes – auf die Aufschreie der Wuth, auf die Klagen des Schmerzes, welche sich mit dem Knattern der Gewehre mischten.
     

    Clary stützte knieend seinen Kopf und sprach zu ihm. (S. 394.)
     
    Dieses Getöse kam gleichzeitig mit dem Aufleuchten des Flintenfeuers immer näher an sie heran. Schon hatten sich gegen fünfzig, meist verwundete Patrioten in die Boote geworfen und steuerten nach dem Dorfe Schlosser hinüber.
    An der Insel befand sich nichts mehr als der kleine Dampfer »Caroline«, schon überfüllt von Flüchtlingen, der eben den südlichen Arm des Niagara überschreiten sollte.
     

    Die »Caroline« neigte sich über den Abgrund und verschwand im Wogenschaume. (S. 397.)
     
    Plötzlich erschien Johann überdeckt mit Blut – mit dem Blute der Königlichen – aber heil und gesund, nachdem er vergeblich den Tod gesucht und diesen zwanzigmal ausgetheilt hatte.
    Clary lief auf ihn zu.
    »Mein Vater? fragte sie.
    – Ist todt!«
    Johann antwortete ihr so ohne Umschweife, damit Clary sich nicht weigern wollte, die Insel zu verlassen.
    Johann fing das junge Mädchen, welches umzusinken drohte, in dem Augenblick in seinen Armen auf, wo die Freiwilligen schon das Haus umzingeln wollten, um ihm den Rückzug abzuschneiden. Mit der theuren Last dahin springend, eilte er auf die »Caroline« zu und legte das junge Mädchen auf dem Deck derselben nieder; dann richtete er sich wieder auf.
    »Gott befohlen, Clary!« sagte er.
    Schon betrat er wieder den Landgang des Fahrzeuges, um aufs Ufer zu springen.
    Bevor sein Fuß aber die Erde berührte, wurde Johann, von zwei Kugeln getroffen, auf das Hintertheil des Schiffes hingestreckt, während die »Caroline« unter vollem Dampfe davonfuhr.
    Beim Aufblitzen der Gewehrschüsse war Johann von ihn verfolgenden Freiwilligen erkannt worden, welche unaufhörlich schrien:
    »Eine Kugel für Johann ohne Namen!… Hurrah, getödtet!«
    Bei diesen Ausrufen fand Clary die Besinnung wieder und erhob sich vom Verdeck.
    »Todt!… stammelte sie, während sie sich zu ihm hinschleppte.
    Einige Minuten später lag die »Caroline« schon am Quai von Schlosser fest. Hier konnten die Flüchtlinge, welche sich an Bord derselben befanden, sich in Sicherheit glauben, da sie jetzt unter dem Schutze der Bundesbehörden standen.
    Einige begaben sich denn auch aus Land; da der einzige Gasthof des Dorfes aber sehr schnell überfüllt war und bis zu den Gasthäusern des Niagara-Falls ein Weg von mindestens drei Meilen längs des rechten Stromufers zurückzulegen war, zogen es die Meisten vor, in den Cabinen des kleinen Dampfbootes zu
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