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Die Familie ohne Namen

Die Familie ohne Namen

Titel: Die Familie ohne Namen
Autoren: Jules Verne
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nach dem amerikanischen Ufer des Niagara, auf diesem nach Schlosser und fuhr dann auf der »Caroline« als einfacher Besucher, wie so viele Andere, nach der Insel Navy hinüber.
    Dank seiner Verkleidung, dem Vollbarte, den er jetzt trug, der geschickten Veränderung seiner gewöhnlichen Kleidung und endlich der verstellten Stimme, war dieser tollkühne Geheimpolizist in der That kaum wiederzuerkennen. Und doch fanden sich hier Leute, welche ihn trotzdem unter dieser Maske herausgefunden haben würden: Herr de Vaudreuil und seine Tochter, Thomas Harcher und seine Söhne, mit denen er ja vor nicht gar zu langer Zeit in der Farm zu Chipogan zusammengetroffen war, und endlich auch Meister Nick, dem er vielleicht am wenigsten auf dieser Insel zu begegnen erwartet hätte. Glücklicher Weise war seine Verkleidung aber eine so vollkommene, daß Niemand nach dieser Richtung Verdacht schöpfte. So konnte er, ohne sich bloßzustellen, sein Geschäft als Spion betreiben und, wenn nöthig, mit Chippewa correspondiren; so kam es auch, daß er dem Obersten Mac Nab den von Vincent Hodge geplanten Ueberfall des Fort Frontenac rechtzeitig hatte melden können.
    Da sollte ein reiner Zufall ihn verderben.
    Während der acht Tage seit seinem Eintreffen hier hatte er, in der Tracht der Blaumützen auftretend, zwar öfter schon Thomas Harcher, Meister Nick und Anderen gegenübergestanden, war aber Bridget noch nirgends begegnet; und wie hätte er auch deren Anwesenheit auf der Insel Navy muthmaßen sollen? Die Gattin Simon Morgaz’ inmitten der Patrioten, das war etwas, woran er in der Welt am wenigsten gedacht hätte, zumal da er wußte, daß sie unlängst noch in dem geschlossenen Hause war, wo er selbst sie mit den Repressalien, welche die übrigen Einwohner von St. Charles trafen, verschont hatte. Im Uebrigen waren sie seit zwölf Jahren, das heißt seit der Zeit, wo er damals mit ihr und ihrer Familie in Chambly zusammentraf, einander nicht wieder begegnet, außer an jenem Abend, wo in St. Charles die Haussuchungen vorgenommen wurden, so daß er fast sicher sein konnte, weder von ihr, noch von Meister Nick oder Thomas Harcher wiedererkannt zu werden.
    Bridget erkannte ihn auch in der That nicht; vielmehr war er es selbst, der sich unter Umständen verrieth, welche er trotz peinlichster Vorsicht doch außer Acht gelassen hatte.
    An jenem Abend, am 16. December, als Vincent Hodge sich auf die Einladung des Herrn de Vaudreuil hin daselbst einfand, hatte Bridget das Haus verlassen. Tiefdunkle Nacht verhüllte das Thal des Niagara und eine ungestörte Stille herrschte ebenso in dem von den englischen Truppen besetzten Dorfe, wie im Lager der Reformer. Nur einzelne Wachtposten wandelten am Ufer auf und ab, um den linken Arm des Stromes im Auge zu behalten.
    Ohne sich von der von ihr eingeschlagenen Richtung Rechenschaft zu geben, war Bridget nach der stromaufwärts liegenden Spitze der Insel gelangt. Nachdem sie hier wenige Augenblicke gerastet, wollte sie eben zurückkehren, als ihr Auge von einem Lichtscheine getroffen wurde, der sich am Fuße des steilen Ufers hin und her bewegte. Ueberrascht und beunruhigt zugleich, begab sich Bridget nach der Uferkante, welche den Niagara an dieser Stelle überragte.
    Hier schwang ein Mann eine Laterne, deren Licht auf dem Ufer von Chippewa bequem erkennbar sein mußte. Wirklich antwortete demselben auch sofort ein anderer Lichtschein aus dem dortigen Lager.
    Bridget konnte einen Aufschrei nicht unterdrücken, als sie den Austausch dieser verdächtigen Signale bemerkte.
    Durch Bridgets Schrei aufmerksam gemacht, war jener Mann mit wenigen Sätzen den Felsenabhang hinaufgeeilt, trat der Frau gegenüber und leuchtete ihr mit seiner Laterne voll ins Gesicht.
    »Bridget Morgaz!« rief er erstaunt.
    Diesem Manne, der ihren Namen nannte, gegenüber anfangs ganz sprachlos, wich Bridget einen Schritt zurück. Die Stimme, welche er unachtsamer Weise jetzt nicht verstellt hatte, verrieth ihr jedoch, wer der Spion sei.
    »Rip!… stammelte sie. Rip… hier!
    – Ja, ich.
    – Rip… hier als…
    – Gewiß, Bridget, antwortete Rip leiser, thue ich nicht hier dasselbe, was zu thun auch Sie hierher gekommen sind? Weshalb sollte sich die Gattin eines Simon Morgaz im Lager der Patrioten befinden, wenn sie aus demselben nicht anderen Leuten Mittheilung machen…
    – Elender! rief Bridget.
    – O, schweigen Sie, rief Rip, sie kräftig am Arme packend. Schweigen Sie still oder…«
    Es hatte nur eines Stoßes bedurft,
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